Anrudern 1992
Der Wettergott war milde gestimmt. Zwar ließ er die Sonne nicht vom blauen Himmel strahlen, aber Regen schickte er nur in den Stunden vorher und wieder am Nachmittag, als alles vorbei war. So war es für eine erfreulich große Zahl von Mitgliedern und Freunden des RCW ein ungetrübtes Vergnügen, den offiziellen Start in die Saison mitzuerleben, wobei natürlich jeder weiß, daß man auch vorher schon auf dem Wasser gewesen ist.
Im Mittelpunkt stand die Taufe von fünf neuen Booten, so als wolle man am Ende der ersten 100 Jahre zeigen, daß man nichts von dem Schwung verloren hat, der den Club seit seinem Start 1892 aus-gezeichnet hat. Darauf wies auch der stellvertretende Vorsitzende des Sportausschusses der Stadt Witten, Herr Hebell, in seinen Begrüßungsworten hin.
Die ungebrochene Lebendigkeit demonstrierten -gewissermaßen als Rahmenprogramm - einmal mehr unsere aktiven Ruderer, gleich ob sie als Junioren oder als Senioren an den Start gehen oder zu der respektabel großen Schar der Breitensportler gehören.
In diesem Kreis tummeln sich alle Altersgruppen bis über 80 Jahre und offensichtlich ist, daß sich die Grenzen zwischen den männlichen und weiblichen Ruderriegen erfreulicherweise immer mehr verschiebt. Der Gig-Doppelachter „Molls Junge" jedenfalls wurde dieses Mal von unseren Damen in die Saison gerudert. Insgesamt war es beeindruckend, wie groß die Zahl der Ruderer und Ruderinnen aller Altersklassen war, die an diesem Tage gleichzeitig auf dem Wasser waren. Auch dabei waren Volker und Guido Grabow mit Norbert Kessler und Jörg Puttlitz. Es ist immer noch eine Freude, dem nun schon fast „legendären" Ruhrvierer bei seiner sauberen Ruderarbeit zuzuschauen.
Bevor es zur eigentlichen Taufhandlung kam, erinnerte Horst Noll noch einmal daran, daß zum Rudern nun einmal Boote gehören und daß es sich hierbei um empfindliches und kostenträchtiges Material handelt . Es war ihm daher ein besonderes Anliegen, den Spendern und Sponsoren, die den Kauf dieser Boote erst möglich gemacht haben, einen besonderen Dank zu sagen.
Es geht in der Tat nicht ohne ihre Hilfe und Unterstützung, da aus dem laufenden Etat entsprechende Mittel nicht aufzubringen sind. Nachdrücklich wies er auf die Unterstützung der öffentlichen Hand hin - stellvertretend dankte er der Stadt Witten, vertreten durch Herrn Hebell hob aber gleichzeitig die Opferbereitschaft vieler Mitglieder und Freunde des RCW hervor, die dem Club sehr geholfen haben.
So war es eine Gemeinschaftsleistung der Eltern unserer Kinderruderer, durch deren Sammelaktion soviel zusammengekommen war, daß zwei Kindereiner angeschafft werden konnten. Es war fast schon schwieriger, aus diesem Kreis die Taufpaten zu gewinnen; das Los entschied für die Familien Biedermann und Wegermann. Anne Biedermann taufte den Täufling Nr. 1 auf den Namen „Karlchen" und Moritz Wegermann Täufling Nr. 2 auf den Namen „Onkel Fritz".
Auch die drei anderen Täuflinge verdanken wir nicht unwesentlich Spendern, und es waren ausnahmslos alle, die dem Club auf vielfältige Weise seit langer Zeit verbunden sind und diese Verbundenheit hiermit noch einmal eindeutig vorgezeigt haben. Das erste dieser drei Boote, ein Renneiner, erhielt den Namen „Wilhelm Z". Dahinter verbirgt sich niemand anders als Wilhelm Zöller, der seit 71 Jahren zu uns gehört, seit 71 Jahren mehrmals wöchentlich rudert und dem man seine z. Z. noch 86 Jahre nicht anmerkt.
Seine Gattin war es, die mit dem Wunsch für alle Zeit gute Fahrt und immer der Handbreit Wasser unter dem Kiel das Boot seiner Bestimmung übergab.
Mit einem Renn-Doppelzweier, getauft auf den Namen „Max Köhler" hat der Ruderclub einem Mann seinen Dank abgestattet, der über eine längere Zeitspanne, von 1962 bis 1968, den Club als erster Vorsitzender geführt hat und in dieser Zeit maßgebende Impulse vermittelt hat. Sein Sohn hat es sich nicht nehmen lassen, das Boot auf eine hoffentlich lange Reise zu schicken.
Star unter den neuen Booten war ein Boot für den Breitensport, eine Neuheit in unserem Bootspark. Er ist ein Doppel-Fünfer o. St., umgeriggert kann er aber auch als Doppel-Vierer m. St. gerudert werden.
Er trägt den Namen „Wilhelm Düchting" und hält die Erinnerung an einen Mann wach, der bis zu seinem plötzlichen Tod vor wenigen Wochen in außerordentlicher Weise dem RCW verbunden war und ihn in vielfältiger Art unterstützt hat. Sein Enkel Carsten, inzwischen auch schon ein aktiver Ruderer, taufte ihn auf den Namen seines Großvaters.
Anschließend wurden die fünf neuen Boote auf die Ruhr entlassen und formell in unseren Bootspark aufgenommen. Mit vielen bewährten Booten des RCW machten sie erfolgreich ihre Jungfernfahrt. Wer von den Anwesenden nicht ruderte, versammelte sich bei Frau Grenz. Bei traditioneller Erbsensuppe, bei Kaffee und Kuchen waren Thekenraum und großer Saal dicht besetzt, die letzten sind erst am späten Nachmittag nach Hause gekommen
Werner Liebig