Olympisches Jugendlager der Deutschen Ruderjugend
Diese Sommerferien hatten mein Bruder Jonas und ich etwas ganz Besonderes vor: wir sind mit der Deutschen Ruderjugend zu den Olympischen Spielen nach London gefahren.
Hatten wir am Freitagabend die Eröffnungsfeier noch alle auf den heimischen Fernsehbildschirmen verfolgt, so trafen wir uns am Samstag um 8 Uhr morgens in Köln um gemeinsam mit dem Reisebus nach London zu fahren. Schon am Treffpunkt zeigte sich, dass auch einige bekannte Gesichter unter den insgesamt 42 Teilnehmern und acht Betreuern dabei waren, die man von diversen Regatten oder Lehrgängen bereits kannte. So stellte sich schnell eine angenehme und vertraute Atmosphäre ein, die die Bus- und Fährfahrt um einiges kurzweiliger machte.
Schon am Fährhafen konnten wir das erste Mal feststellen, dass sich Großbritannien in einem absoluten Ausnahmezustand befand. Jeder Passagier wurde als potenzieller Terrorist gesehen, der die Olympischen Spiele gefährden könnte. So mussten auch wir uns mit unserem gesamten Reisegepäck bei der Kontrolle anstellen und der Bus wurde bis auf den letzten Kekskrümel inspiziert. Zur großen Überraschung aller wurden aber keine Bomben oder andere gefährliche Gegenstände konfisziert. So kamen wir ohne weitere Zwischenfälle an unserer Unterkunft für die nächsten zehn Tage, der Uni Kent in Canterbury, an.
Dort wohnten wir auf dem Campus jeweils in 5-Personen-Häusern, die sonst den Studenten zur Verfügung stehen. Begrüßt wurden wir mit einem Welcome-Barbecue, das für jeden aus einem Gemüsespieß und einer Bulette mit Brötchen bestand, und das bei einem stolzen Preis von 20₤ pro Person. So wurde das Abschieds-Barbecue dann auch gleich gecancelt.
Noch am Abend wurde uns die einheitliche Teamausstattung bestehend aus einem türkisen Kapuzenpulli, zwei Poloshirts der gleichen Farbe und einem DRJ-Rucksack ausgeteilt. Diese zugegeben etwas auffällige Farbe sollte sich später noch als besonderer Vorteil herausstellen, denn so konnte man überall schnell seine Gruppe wieder ausfindig machen. Die Pullis und Polos mussten wir nun in den nächsten zehn Tagen immer anziehen, wenn wir als Deutsche Ruderjugend irgendwo auftauchten. So lässt sich leicht nachvollziehen, warum diverse Handwaschmittel für die Kleidung nachher hoch gehandelt wurden...
Am Sonntag stand als erster Programmpunkt die Besichtigung von Canterbury auf dem Plan. Dort wurden in Kleingruppen bereits erste Souvenirs und Fanartikel, die hier an jeder Straßenecke zu teils stark schwankenden Preisen angeboten wurden, erstanden. So wusste man immer erst hinterher, wie viel das jeweilige Angebot wert war!
Nachmittags gab es dann das erste Highlight: ein Besuch im Wembley-Stadion. Wir hatten Karten für zwei Fußballspiele (Urugay gegen Senegal und Großbritannien gegen die Vereinigten Arabischen Emirate). Nach der obligatorischen Sicherheitskontrolle wurden wir im Stadion von einer gigantischen Atmosphäre empfangen. Wie viele Leute im Stadion für Stimmung gesorgt hatten, wurde später klar, als nach den Spielen die gesamten 90.000 Zuschauer zum U-Bahnhof strömten und man ungefähr zwei Stunden warten musste, um überhaupt erst einmal das Bahnhofsgebäude betreten zu können. Doch irgendwann kamen wir auch unversehrt aber todmüde wieder in unserer Unterkunft an.
Am nächsten Tag ging es dann zum Deutschen Haus am Canary Wharf nahe der Isle of Dogs. Dort haben wir alle eine Akkreditierung bekommen, um das Haus überhaupt betreten zu können und dann wurden uns dort die wichtigsten Räumlichkeiten gezeigt, z.B. die Medienlounge, von wo aus die Reporter ihre Recherchen betreiben konnten und auch den Raum, wo während der Olympischen Spiele jeden Tag die Pressekonferenzen mit den erfolgreichen deutschen Athleten stattfanden. Danach haben wir noch das Fanfest nebenan besucht, wo wir bei ausgelassener Stimmung die olympischen Wettkämpfe auf Leinwänden verfolgen konnten und auch ein paar deutsche Sportler zu Gesicht bekamen.
Der Dienstag stand im Zeichen der Vorbereitung auf die lang ersehnten Ruderfinals. In Gruppen haben wir verschiedene Themen erarbeitet, z.B. gab es Arbeitskreise zur Nachhaltigkeit der Olympischen Spiele in London oder dem Herstellen riesengroßer Fanbanner. Anschließend hat jede Gruppe noch ihr eigenes Motivationsvideo für die deutschen Ruderer/innen erstellt, von dem ich allerdings bezweifle, dass es jemals einer von ihnen zu Gesicht bekommen hat (war wahrscheinlich auch besser so!).
Am Mittwochmorgen mussten wir schon um 5.30 Uhr mit dem Bus zur Regattastrecke am Dorney-Lake losfahren. Auf dem Weg dorthin wurden wir einmal mehr Zeugen des zähen Londoner Berufsverkehrs. Trotzdem kamen wir nach einem ca. 45-minütigen Marsch über die „grüne Wiese" (der typisch englische Rasen eben) inklusive einer weiteren Sicherheitskontrolle pünktlich um 9.30 Uhr zum ersten Rennen an. An der Regattastrecke wurden die Zuschauer schon lauthals von den stets gut gelaunten Volunteers, die sich auf Hochsitzen entlang des Weges positioniert hatten, mit Megaphonen begrüßt. Wir suchten uns einen Platz bei ca. 1250m aus, von wo aus wir das Geschehen zusätzlich über eine riesige Leinwand verfolgen konnten.
Wir feuerten die deutschen Boote an, was das Zeug hielt, doch gegen die ca. 30.000 britischen Fans hatten wir dann doch unsere Mühe. Jedenfalls blieben wir dank unserer Signalfarbe türkis dem Regattasprecher nicht lange verborgen, der uns kurzerhand als „The German Smurfs" (die deutschen Schlümpfe) in seine Streckenreportage einbaute. Dies wurde natürlich mit lautem Gejubel unsererseits quittiert. Vielleicht hat gerade das dem Deutschlandachter zum Sieg verholfen, was uns den ersten Regattatag in goldener Erinnerung behalten ließ.
Auch am nächsten Tag dann das gleiche Programm: um 5.30 Uhr aufstehen, durch den Londoner Verkehr quälen und den Fußmarsch vom Parkplatz der Shuttle-Busse bis zur Regattastrecke. Wieder war dort eine umwerfende Stimmung, die einen von der ersten Minute an mitriss. Dank unseres lautstarken Auftretens nahmen sich nach den Rennen sogar Filip Adamski und Eric Johannesen aus dem Deutschlandachter sowie der deutsche Frauendoppelvierer Zeit um uns Fragen zu beantworten, Autogramme zu schreiben, einen Blick auf die Medaillen erhaschen zu lassen oder ein Erinnerungsfoto mit ihnen zu schießen.
Am Nachmittag stand für uns noch ein Besuch im berühmten „Henley River and Rowing Museum" an. Dort blieb über die Geschichte der Olympischen Spiele und des Ruderns keine Frage unbeantwortet.
Sowohl am Freitag als auch am Samstag durften wir nochmals die Ruderwettkämpfe besuchen und dort bei den spannenden Rennen mitfiebern und die Kulisse bestaunen. In England ist der Rudersport eben einfach populärer!
Am Sonntag und Montag hatten wir dann noch die Gelegenheit Sightseeing und Shopping in London zu machen. Dort wurden die berühmtesten Punkte abgeklappert, das letzte Geld umgesetzt und ein Gruppenfoto als Erinnerung vor der Tower-Bridge mit den Olympischen Ringen geschossen. Da es für viele das erste Mal in London war, waren wir doppelt beeindruckt: neben der unzähligen Sehenswürdigkeiten war es ein besonderes Erlebnis die Stadt im Olympiafieber zu sehen! Einige von uns haben in der U-Bahn sogar noch den ein oder anderen Athleten gesehen und ein Autogramm abgestaubt. Nur Marcel Hacker zeigte sich sehr wortkarg.
Am Sonntagabend mussten dann nach einem kulinarischen Highlight in Form von Fish&Chips und frittierten Marsriegeln (!) schweren Herzens die Koffer gepackt, Adressen und Handynummern ausgetauscht und sich mental auf das Ende von zehn wunderschönen Tagen vorbereitet werden.
Die Rückfahrt am nächsten Tag verlief unspektakulär und am Ende waren alle trotz der schönen Zeit froh, wieder zu Hause zu sein und sich von dem „Urlaub" erst einmal erholen zu können.
Ich werde dieses einmalige Erlebnis bestimmt niemals vergessen, denn niemand, der nicht selbst dort war und die Begeisterung hautnah miterlebt hat, kann wohl nachvollziehen, wie spektakulär und mitreißend die Stimmung besonders bei den Ruderwettkämpfen war!
Julia Eichholz