2005 AH-Wanderfahrt auf dem Bodensee
Frühsommer 2005, Regen und Kälte bestimmen bis auf wenige Tage unser Wetter. Angeblich, so sagen die Wetterchronisten soll es Ende Mai eine stabile Wetterlage geben. Das wäre schon immer so gewesen, dabei bleibt es auch. Da die SPD inzwischen das Handtuch geworfen hat, kann diese Partei nicht schuld am Wetter und damit am evtl. Misserfolg der Fahrt sein. - Welch ein Ärgernis!
Dafür hat es Wochen vorher ein anderes Diskussionsthema gegeben. Zunächst hinter vorgehaltener Hand, dann ganz offen: Der See kann gefährlich werden, wenn das Seeungeheuer unter wildem Heulen den See mit seinem Schwanz peitscht, das Wasser schwarz wird, Schaumkronen aufsetzt und sich mehr als eineinhalb Meter hohe Wellenberge türmen, die alles durcheinander wirbeln, was auf dem See schwimmt.
Mantje mantje timpe tee, Butje, Butje in der See...
Zur Abwendung dieser Gefahr, so hatte man uns geraten, sollten Schwimmwesten beschafft werden. Leicht, bequem und nicht in der Bewegung hindernd. Horst, als Organisator nahm sich der Sache an, bestellte zunächst ein Probeexemplar, prüfte, (ob auch in der heimischen Badewanne ist nicht überliefert), handelte einen guten Preis aus, und bestellte dann die gewünschten Exemplare. Auch wenn die erfahrensten Fahrensleute zunächst skeptisch waren, das war eine gute Entscheidung.
Ende April erhielten wir, vom Leiter der Abteilung Wanderrudern, das von ihm ausgetüftelte Fahrtenprogramm. Große Dinge kündeten somit ihr Kommen an.
Die Reisewoche begann mit fürchterlichem Regen, na gut, was unten war konnte uns auf der Fahrt nicht mehr treffen. Der Montag wurde trocken, der Dienstag wurde warm. Hat da etwa unser Kamerad Michael mit seinem Chef ein Wörtchen gesprochen, oder hat Wilfred mit seinem bewährten Werkzeug die Wetterschraube noch einmal nachgezogen, oder geschah gar beides? Booteverladen fiel diesmal aus, da wir ob der großen Reiseentfernung auf das Ziehen des Hängers mit 80 Kmh verzichteten. Leihboote sollte es in Kreuzlingen geben.
Mittwoch 8.00 Uhr – Treffen zur Abreise am Club. Die Sonne war da, die Reisetruppe kam pünktlich. Ein Bus kam etwas später, einige hatten was vergessen, andere suchten und fanden dann auch, alle waren bester Stimmung. Die Männer stauten das Gepäck rein-raus-rein, die Frauen freuten sich auf eine sturmfreie Bude, Aufsitzen, Feuer unter den Maschinen, ein letztes Winken und schon waren wir unterwegs zum „Schwäbischen Meer“. Es lockten die Fischerin vom Bodensee, der weiße Schwan, der Kahn...das Viertele!
Das erste Etappenziel wurde nach zwei Stunden zügiger Fahrt erreicht. PP an der Raststätte Wetterau bei Frankfurt, ein Tässchen Kaffee, eine letzte Zigarette für die Raucher – die Karawane zieht weiter. Glücklich die, die im wohl klimatisierten Leihbus reisen durften. Es wurde heiß. Gegen Mittag waren wir bei Stuttgart, um 14.25 Uhr am Rasthof Hegau: See in Sicht! Alpenblick, gleißende Sonne. Noch ein halbes Stündchen bis zu unserem Quartier in Wollmatingen bei Konstanz. H.W. Brück erzählte uns, dass er während des Krieges dort ein sicheres Plätzchen hatte und wibbelte schon auf seinem Sitz in Erwartung eines Wiedersehens, angeblich nur mit dem Haus in dem er seinerzeit wohnte. Überhaupt, das was so auf dieser Fahrt an Erlebnissen aus der damaligen Zeit ausgetauscht wurde, war für uns Nachkriegskinder spannend. Erlebte Geschichte.
Das Hotel „Gasthof zur Linde“ war auf die Frühankömmlinge noch nicht ganz eingerichtet. Doch kaum war der Boden vom Wischen abgetrocknet, konnten wir die Zimmer belegen und dann zischte das erste Bier im Wirtshausgarten.
Spätnachmittags war der Besuch des Kreuzlinger Ruderclubs im benachbarten Ausland zur Übernahme der Leihboote angesagt. Der Empfang war herzlich. Die Clubräume, eingerichtet in einer ehemaligen Pumpstation des Wasserwerks, waren mit viel Geschmack ausstaffiert. Eine nebenan liegende Bootshalle war für einen Verein, der gerade mal 10 Jahre bestand, bestens mit allem, was Rang und Namen hat, ausgestattet. Für den nächsten Tag war eine Wanderfahrt unter sachkundiger Führung von Catherine Schneider entlang des Schweizer Ufers Richtung Romanshorn geplant, so dass wir uns beizeiten verabschiedeten. Schließlich wartete auf uns im Gasthof noch eine mit schwäbischen Spezialitäten ausgestattete Speisenkarte, etliche Viertele und einige Halbe, das ganze abgerundet durch eine freundliche Kellnerin.
Bekanntlich soll man ja niemanden warten lassen. Dass Ruderer gern duschen wusste offensichtlich auch die Rausch AG, der Arbeitgeber von Catherine Schneider, die unseren Verein im Februar des Jahres anlässlich eines Fachkongresses in Witten besuchte und die ersten Tipps und Hinweise für Bodenseefahrer gegeben hatte. Eine großzügige Spende diverser biologisch wertvoller Haarwaschmittelproben nebst für jeden eine Tube Duschgel mit eingearbeiteter Blumenwiese, wurde uns überreicht.
Der Fronleichnamsmorgen zeigt sich von seiner besten Seite. Warm, blauer Himmel, auch nicht die Andeutung einer Wolke. Punkt neun Uhr Abfahrt in die Schweiz. Im Kreuzlinger Ruderclub erwartete uns bereits Catherine. Schnell wurden die Boote zu Wasser gelassen und gegen 10.00 starteten wir zur geplanten Tagestour.
Es lächelt der See, er ladet zum Bade... – spiegelglattes, glasklares Wasser, das eine Sicht bis in fast 4m Tiefe erlaubte. Eigenartig, so Fische, Pflanzen oder einfach Bodenwellen auf dem Grund vorüberziehen zu sehen. Mal fuhren wir über einen Hohlweg, mal stieg der Grund auf, um gleich wieder steil abzufallen. Über uns zog das Friedrichshafener Luftschiff der Zeppelin AG seine Runden um und über den See. Beim Mittagsläuten erreichten wir Romanshorn.
Im dortigen Fährhafen und auch im benachbarten Yachthafen gab es für uns keine Anlegemöglichkeit. So blieb uns nichts anderes übrig, als wieder Richtung Kreuzlingen bis Bad Uttwil zurückzufahren. Vorbei an Strandnixen, schönen Villen und alten hölzernen Badehäusern erreichten wir eine Stunde später den Anlegeplatz von Bad Uttwil. Ein Hotel, dass vor Jahrzehnten bessere Zeiten gesehen hatte, bot uns Platz zur Mittagsrast unter Kastanien im Wirtsgarten. Eine flotte Kellnerin mit endlos langer Leitung schuftete nach dem Chaosverfahren, um uns mit Getränken, Schübling, Nusskuchen, Salat und Omelettes zu versorgen. Und dann der Aufwand mit der Rechnung: Einzeln aufschreiben, aufaddieren, in Euro umrechnen, verrechnen, neu ausrechnen, einkassieren, kein Wechselgeld, zuviel berechnet, auch mal was vergessen... – Noch nie habe ich für eine Flasche Bier, die nach mehrfachem Nachfragen kam und ein Nusshörnchen 5,50 € bezahlt!
Zurück nach Kreuzlingen galt es 15 Km in glühender Sonne zu rudern.
Wenn man so über den See schaut, bis Bregenz 38 Km geradeaus, fällt auf, dass weit entfernte Segelboote so aussehen, als ob sie beim näher kommen, nach und nach aus dem Wasser klettern. Frage an die Mannschaft, warum ist das so? Meine Behauptung, die Erde krümmt sich alle ca. vier Kilometer um einen Meter nach unten, wurde zunächst als Unfug abgetan. Ja im Gegenteil, Horst sagte, dass wenn er von Witten Stadtmitte nach Bommern gehe, dies mehr als vier Km Entfernung seien, er aber trotzdem ständig bergauf gehen muss. Wo ist die Abwärtskrümmung?
Abends luden uns die Kreuzlinger Kameraden zum Grillabend am Clubhaus ein. Nicht nur Salate, Fleisch und Wurst ohne Ende, nach getaner Arbeit rollte auch noch ein Kuchenbuffet von feinstem Selbstgebackenen an. Wir revanchierten uns mit Dankesreden und einer Kiste Wittener Ruhrwasser, Boni macht’s möglich.
Zurück im „Gasthof Linde“, rechnete beim obligatorischen Nachttrunk unser Professor Johann meine Behauptung über die Erdkrümmung auf einem Bierdeckel nach: Horst, es geht bergab nach Bommern, bergauf ist nur Einbildung.
Freitag, 10.15 Uhr: Jetzt fahr´n wir über´n See, über´n See, querab der Insel Mainau an Backbord liegt unser Tagesziel Dingelsdorf, gegenüber von Überlingen. Unser heutiger Begleiter vom Ruderclub Kreuzlingen war der Ruderkamerad Hans Sprunger. Der Überlinger See weist die tiefste Stelle des Bodensees mit über 250m Wassertiefe auf. Ein Gedenkstein an dem Gasthaus, gesetzt anlässlich des Besuchs seiner Majestät, Kaiser Wilhelm I, da, wo auch wir rasteten, bescheinigte uns, dass der Platz gerade gut genug für uns war. Ältere Herren bekamen zum Bier auch ein Sitzkissen für den strapazierten Hintern untergeschoben. Es mangelte an nichts. Die anschließende Rückfahrt war schier endlos. Harter Rollsitz unter einem untrainierten Hintern, katastrophal. Ist stehen doch schön!
Das Abendprogramm startete mit einer, auf 18.00 Uhr angesetzten Stadtrundfahrt im offenen Doppeldeckerbus durch Konstanz. Fünf Minuten vor sechs kreisten wir noch auf Parkplatzsuche mit den Bussen durch Konstanz, eine Vorhut wurde ausgeschickt, den Rundtourbusfahrer zu überreden später abzufahren, fünf nach sechs trafen die letzten am Ort des Geschehens ein. Ein Gruppenpreis wurde ausgehandelt und ab gings in und um die Stadt herum. Viel über das Konzil und die Geschichte der Stadt haben wir erfahren. Ein auf der Terrasse des Konzilhauses für uns reservierter Tisch wandelte sich zum Tischlein Deck Dich und rundete so den Abend ab.
Samstagmorgen, Wetter wie alle Morgen, für heute war eine Rheinfahrt 10 Km Richtung Ruhrgebiet geplant. Ulla Miller unsere heutige Begleiterin, vom RCK, stimmt uns auf den „Trichter“ ein. Ab Brücke Konstanz beginnt die Rheinkilometerzählung. Das Ziel Bermatingen gegenüber der Klosterinsel Reichenau, die auf eine mehr als 1000 jährige Geschichte zurückblickt. Faszinierend das Wollmatinger Ried, eine weit in den Untersee hineinragende Flachwasserzone. Menschen ernteten hier schon zu Urzeiten ihr Bedachungsmaterial für die Pfahlbauten im See. Es war Jagdrevier auf Wasservögel, gleichzeitig auch deren Refugium und Kinderstube der Fischbrut, die den Fischreichtum des Sees garantierte.
Wende hinter der Reichenau, zurück nach Konstanz, bei leichtem Gegenwind. Passieren der Rheinbrücke und des Hafens, die Fahrten über das Schwäbische Meer gingen zu Ende. Eine Jause am Ruderclub beendete den Rudertag und viel zu spät erreichten wir wieder unser Standquartier in Wollmatingen.
Jetzt war höchste Eile geboten: Duschen, umziehen, Abfahrt nach Schloss Salem in einer halben Stunde. Da flogen die Socken aber tief! Schließlich war die Führung auf 16.30 Uhr angesetzt und wir mussten ja noch mit der Fähre übern See und zum Schloss oberhalb der Barockkirche Birnau. Zu einem Besuch dieses wunderschönen Sakralbaus blieb bedauerlicherweise keine Zeit.
Die angesetzte eineinhalbstündige Führung auf Salem lehrte uns viel über die Geschichte des Zisterzienserklosters und das Leben der Mönche. Die Ärmsten mussten! jeden Tag die im Refektorium den zu den Mahlzeiten ausgegebenen zwei Liter Wein trinken und dabei schweigend, Bibelsprüche hörend, ihre Gemüsesuppe löffeln. (Ging wahrscheinlich nur im Suff. Anmerkung des Verfassers). Auch war zu hören, dass Wein die Holzbohlen, die zu, mit Schnitzerei verzierten Kirchenbankwangen, verarbeitet werden sollten, vor Holzwurmbefall, Blaufäule und anderen Holzfeinden schützte. Ein im Weinbottich, vermutlich freudig, ertrunkener Kellermeister wurde von Alkohol und Säure derart konserviert, dass der Wein den Mönchen wohl etwas wunderlich mundete, bis der Bodensatz im Fass die Erklärung brachte. Ob jemand an der Fleischeinlage erkrankte ist nicht überliefert.
Zum Abschluss des Abends wurde uns eine Winzervesper mit Weinprobe, von vier Weinen des Markgrafen zu Baden, dem Schloss, Park, und Klostergebäude gehören, kredenzt. Der Markgraf ist der größte deutsche Forstwirt mit den reichhaltigsten deutschen Weinbauflächen. Ein blühendes, nach modernen Managementlinien geführtes Wirtschaftsunternehmen, das auch Vermieter der Gebäude für die Eliteschule ist. Das monatliche Schulgeld soll hier immerhin 2.300,--€ betragen.
Getrunken, gegessen und dabei im ehemaligen Gefängnis gesessen. Zu Anfang des 18.Jahrhunderts trieb eine Gruppe von Sackgreifern und Beutelschneidern rund um den See ihr Unwesen. Kopf und Herrin der Truppe war die „Alte Liesel“, der und ihren Gefährten, nach Ergreifung hier im Kloster der Prozess gemacht wurde. Am 17.8.1732 wurde Sie gehängt und 10 ihrer Spießgesellen wurden mit ihr zusammen durch Schwert und Strang gerichtet. –Ach, die Gute Alte Zeit!
Erlebnisreiche Tage, wohl organisiert durch Horst Noll und unseren Fahrtenleiter Dieter Borgmann, gingen am folgenden Sonntag nach staufreier sechseinhalbstündiger Rückfahrt gut zu Ende. Danke an die Organisatoren, den Wettergott, das zu Hause gebliebene Seeungeheuer und Catherine Schneider und die übrigen Ruderkameradinnen und Ruderkameraden aus Kreuzlingen.
MoK
Mitgenossen und -gelitten haben:
Tom Blumberg, Johann Böhme, Dieter Borgmann, F.O. Braun, H.W. Brück, Michael Göhler, Wilfred Güthoff, Klaus Hebestreit, Siegfried Held, Siegfried Knoop, Axel Kunde, Helmut Lingnau, Horst Noll, Dieter Peters, Anton Schnurr, Dieter Wenig
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