1997 Gemischte Barkenfahrt in MeckPomm bei Storkow
Ein neu entdecktes Wander-Gebiet
Storkow ? Wo liegt das?
Ja, wo liegt es denn? Ich wusste es nicht und meine liebe Frau Marita auch nicht. Frank Weber, der die Wanderfahrt organisierte - und zwar hervorragend -‚ meinte, es läge südlich von Berlin, Kartenmaterial würde rechtzeitig vor Antritt der Fahrt verteilt. Genaue Routen und Vorschläge für das geplante Standquartier stammten von unseren Berliner Freunden Christa und Udo Hasse, Ruderclub am Wannsee und Uschi und Wolfgang Schulte-Oppelt, Hellas Titania Berlin.
Aber wo kann man denn da wanderrudern? Nördlich von Berlin ja, denn da gibt es die Mecklen-burgische Seenplatte, inzwischen vielen von uns bekannt und geschätzt, aber südlich oder gar süd-östlich? Wäre das nicht zu nahe an der Oder, wo noch immer die Hochwasserflüchtlinge evakuiert waren? Na, ob das man gut geht, ouh Mann!
Der Bootstransport verließ am Samstag pünktlich mit einer halben Stunde Verspätung unser Bootshaus, mit an Bord die Ehepaare Schultz, Weber, Wegermann und als Aufpasser Ede Kathagen. Die beiden Berliner Ehepaare wollten wir vor Ort treffen, ebenso Ehepaar Schmiedeknecht, die bereits in Berlin weilten und auch Peter Rosenthal mit seinem blitzneuen Volvo.
Meine Frau und ich nutzen in den Ferien jede Minute, um länger zu pennen, also fuhren wir mit dem eigenen PKW, der uns auch wieder zwei Tage eher zurückbringen musste. Um sieben aus den Federn und schwupp saßen wir schon um 10 Uhr im Auto Richtung Berlin. Der Verkehr war abgeflossen und bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Bus ( keine Fahrt ohne Handy) waren wir in der Höhe von Peine (sprich: Pahne) und der Bus, so die verschlafene Stimme unseres Udo Wegermann bei Bad Nenndorf. Die Herrschaften hatten doch tatsächlich gegessen, ohne uns Bescheid zu sagen! Was die konnten, konnten wir auch, und so trafen wir uns erst wieder bei einem Bustankstopp etwa 20 km vor dem Berliner Ring.
Das Hotel Karlslust - besser die Hotelanlage - in Storkow ist für Wanderruderer hervorragend geeignet. Direkt am Großen Storkower See gelegen, bietet sie sternförmige Wanderfahrtmöglichkeiten. Uschi erwies sich als reiner Glücksfall für uns, keine Bucht, die sie nicht kannte, keine Kneipe, in der sie nicht schon gewesen wäre, steuern und rudern konnte sie ebenfalls hervorragend. Allen Nachahmern sei empfohlen, sie zu konsultieren, wenn es heißt: auf zum Scharmützelsee. Der war nämlich unser erstes Ziel am nächsten Tag. Es versteht sich von selbst, das wir am Ankunftsabend noch die Barke zu Wasser gelassen und noch ein kleines Rüderchen auf dem Großen Storkower See bis zur Hubertushöhe gemacht haben, um die Gegend und Umgegend ein wenig kennen zu lernen.
Auch hier im Südosten Berlins haben der Alte Fritz und seine Hugenotten einst gehaust, um für uns die zweifellos schon vorhandenen Seen mit Kanälen und Schleusen zu verbinden, denn es war den Altvorderen klar, dass man eine Barke nicht ungestraft kilometerweit durch Sümpfe umtragen kann. Also Großer Storkower See dann 2 km Kanal durch eine herrliche Flusslandschaft, hinein in den Scharmützel See (hier muss es mal richtig gekracht haben, daher der Name) bis ganz oben hin, i.e. Bad Saarow-Pieskow, und das bei einem 22er Schlag und ca. 32 Grad im Schatten, den wir nicht hatten. Das wunderschöne Hotel, das wir, pardon: ich, ansteuerten, lud zum Verweilen ein, aber wir mussten ja noch die 17 km wieder zurück! Dennoch: ein Schläfchen in Ehren kann niemand verwehren.
Gestärkt durch Essen und Eis rein in die Boote und zum Baden. Ins Wasser ging es gut, aber wie kommt man wieder in die Barke? Die Leiter erwies sich als Hindernis. Einer schlug vor, die Barke zu fluten! Mit vereinten Kräften haben wir es dann doch geschafft, alle Mann und Frau wieder an Bord zu hieven.
Irgendwann ging es zurück und irgendwann waren wir auch wieder im Stammquartier, Essen gab es erst 20.30 Uhr, Wulf Schmiedeknecht nahm nur einen Kinderteller, ob vor Erschöpfung oder weil ihm nicht mehr Zeit verblieb bei den vielen Schnaken, die es in der Dämmerung zu vertreiben galt, ist un-klar. Und noch eine Unbill traf ihn gleich am ersten Abend: Peter Rosenthal hatte ihm doch tatsächlich mit der ihm eigenen Intensität eingeredet, dass übermäßiger Alkoholgenuss zum Absterben von Gehirnzellen führt, ihm aber wohlweißlich verschwiegen, dass der Mensch ein paar Milliarden davon hat. Da Wulf in Berlin noch einige Großvorhaben gewinnen wollte, hat er sein Hirn geschont und war die ersten Tage ausgesprochen unheiter. Immerhin haben wir an diesem entscheidenden zweiten Abend dem Ober klargemacht, dass er Bier bis zum Abwinken bringen muss, allein schon, um den lästigen Fragen zu entgehen.
Am nächsten Morgen gings durch den Kleinen Storkower See in Richtung PrierosDolgenbrodt, wo wir die Barke liegen lassen wollten, weil der Weg zurück dann doch zu weit gewesen wäre. Der Bus, begleitet von einem PKW, wurde von Frank, Jürgen und Udo, wer könnte daran zweifeln, (außer allen anderen) nach Prieros gebracht, während die Barke schon einmal startet. Anschließend beginnt die „Aufholjagd‘:
„Etzel“ gegen Barke. Uns, auf der Barke, war Gott sei Dank eingefallen, dass, wenn ich steuere, die Barke schneller wird. Es ging zunächst durch einen 9 km langen Kanal mit zwei Schleusen und dann über den Wolziger See und noch über einen kleinen See, der bezeichnenderweise Langer See hieß.
Und so kamen sie dann nach ca. 19 km ein paar Minuten später an als wir, wir hatten uns so gerade ins Ziel retten können Und wieder war Mittagessen angesagt, bei „Kuttes Stube“, der zwar passabel kochte, aber ansonsten grimmig war, weil er uns auf seiner schönen Liegewiese das verdiente Mittagsschläfchen doch tatsächlich verweigerte. Er blieb dabei, obwohl wir ihm versicherten, so gut wie gar nicht zu schnarchen. Also fuhren wir zum Schnarchen noch über den Dolgen See, badeten ein wenig und träumten vor dem obligatorischen Eis von Barken mit Hilfsmotor.- Die Boote ließen wir, wie ausgemacht, bei Kutte, der sich schon auf den nächsten Tag mit ähnlich großen Umsätzen freute.
Abends aßen wir in einer am Wegesrand liegenden Aalstube in der Höhe des Ortes Philadelphia, wo wir uns an den Fischgerichten und die Schnaken sich an unserem Blut delektierten. Bis der Wirt ein Einsehen hatte und ein Spray aus der guten alten DDR-Zeit brachte, das die Mücken auf einen Schlag verbleichen ließ. Das war uns einen Achtungsschluck wert.
Der nächste Tag sah uns schon recht früh wieder auf dem Wasser, nicht ohne Kutte auf spätere Zeiten vertröstet zu haben. Es ging diesmal in Richtung Groß Köris über den Schmölde See und den Klein Köriser See. Aber vorher wurde noch eine verlockende Badebucht angesteuert, von den herrschenden Temperaturen dazu sehr gedrängt. Als unser lnvasionsboot aufs Ufer stieß, zogen sich die Eingeborenen merkwürdiger Weise in den lichten Waldhang zurück. Erst bei näherem Hinsehen merkten wir, dass sie Robinson Crusoe und mehrere Freitage spielten. Also runter mit den Klamotten und rein ins Wasser, worauf auch die Eingeborenen langsam wieder - die Kinder voraus - den Hügel herunterkamen, um die vermeintlich Schiffbrüchigen zu bestaunen. Und im Vertrauen: es gibt keine schöneren Körper als die von Ruderinnen und Ruderern!
Groß Köris haben wir nie gesehen. Beim Ruderclub in Klein Köris war Schluss, denn unsere Mägen warteten auf das Mittagessen, einer von Uschis Volltreffern, denn der Wirt gehörte dem Ruderclub an, und so war das anschließende Mittagsschläfchen auf der Liegewiese des Clubs gerettet. Mit halbbösem Erwachen: ein Skull hatte sich verdünnisiert. Aber wohin? Soweit das Auge reichte, auf dem See schwamm nichts Längliches herum. Ein Expeditionscorps im 2/3 Etzel mit Udo Hasse an Bord wurde losgeschickt und nach wenigen Minuten war der Ausreißer wieder bei der Truppe, er hatte sich, Gott lob, in 100 m Entfernung im Schilf verfangen, und wegen der 100 m haben wir den Frauen auch keinen echten Vorwurf gemacht.
Erschöpft machten wir dann wieder bei Kutte fest, der noch immer auf seinen Umsatz wartete. (Liegewiese!) Drei von uns hatten den Hals jedoch noch nicht voll und wollten sinnvollerweise den „Etzel“ noch die 19 km bis Storkow rudern, da Uschi und ihr Mann Wolfgang am nächsten Tag nach Berlin zurück mussten, also Not an Mann und Frau war. Gedacht, getan. Es machten sich auf Udo Hasse, Peter Rosenthal und dreimal dürft Ihr raten? Werner Kathagen, der unbedingt seine Steuerkünste auf Platz eins am Beispiel der geschwungenen Kanäle verfeinern wollte. Eile war geboten, denn die Storkower Schleuse stellte den Betrieb um 20 Uhr ein. Und pünktlich wie die Maurer erschienen unsere Kameraden um 20.20 Uhr am Ufer des Hotels Karlslust.
Der nächste Morgen sah uns wieder bei Kutte, der immer noch auf seinen Umsatz wartete, (Liegewiese!), immerhin war die Barke noch da. Es ging in Richtung Königswusterhausen durch den uns schon bekannten Dolgensee, dann 5 km über die Dahme, auch Bindower Fließ genannt, zum Knüppelsee, wo wir an einer schnuckeligen Walduferkneipe Halt machten. Ein ausführliches Bad beschloss die Mittagspause und allzubald ging es zurück, diesmal vorbei an Kutte, der noch immer auf seinen Umsatz wartete, (Liegewiese!), nach Prieros Brück, wo Kaffee und Kuchen vereinnahmt wurden. Ein nachdenklicher Werner beschloss hier, am nächsten Tag nicht zu rudern, sondern eine Fahrradtour zu unternehmen. Darüber und über die letzten Tage sagt er selbst:
Auf einer nicht ganz so geplanten, teilweise recht sandigen aber landschaftlich reizvollen Querfeldeintour fuhr ich nach Bad Saarow. Dort führte mich der Weg natürlich zum berühmten Bahnhof, der allerdings noch renovierungsbedürftig ist. Ansonsten herrscht im Ort rege Bautätigkeit, Bad Saarow scheint mit aller Macht an die glanzvolle Zeit vor dem zweiten Weltkrieg anknüpfen zu wollen. Dann folgte ein Besuch in Fürstenwalde. Bei 33 Grad im Schatten schien mir ein Besuch im Dom genau das Richtige. Es war dort angenehm kühl, auch wurde mir und uns von einer netten jungen Frau über die Geschichte des Domes, der im April 1945 vollständig zerstört worden war, und über die gewaltigen Anstrengungen der Gemeinde zu DDR-Zeiten für den Wiederaufbau berichtet. Bei Kaffee und Kuchen im Gemeindezentrum - im Seitenschiff des Domes - wurden die Informationen vertieft, dann sollte es weitergehen in Richtung Berlin.
Doch so weit kam es nicht. Zwar ging es zunächst an der Spree und am Spree-OderKanal entlang ‚ dabei teilweise zu Fuß, weil die Auswahl meiner Wege nicht immer ganz glücklich war. Ein aufziehendes Gewitter machte dann meine Entscheidung ‘in Richtung Storkow zu fahren, leicht. Über Friedersdorf und Wolzig ging es zügig nach Storkow. Etwas müde, aber trocken, kam ich nach 94 km am Hotel an, wo die Ruderer schon warteten. Sie hatten ohne besondere Vorfälle die Barke von Prieros Brück über den Langen und Wolziger See durch den Storkower Kanal zum Hotel zurück gerudert. Auf dem letzten Stück hatten sie sich rekordverdächtig in die Riemen gelegt, man sollte also die Idee mit den Wasserskiern ruhig noch einmal aufgreifen. Es ist schon erstaunlich, welche Leistungssteigerung ein aufkommendes Gewitter bewirken kann.
Am nächsten Tag war es bedeutend kühler und bewölkt. War das der Grund, dass zum ersten Mal dem reichlich vorhandenem Wein zugesprochen wurde? Jedenfalls machten wir noch eine schöne Tour über Wendisch Rietz in Richtung Springsee. Dank der vollautomatischen Schleuse am Ende des Glubigsees erreichten wir unser Ziel nicht zu früh. Es war schon eine kleine Geduldsprobe, und das geballte lngenieurwissen auf der Barke wurde vergeblich bemüht. Aber schließlich hieß es doch: „Und sie -die Schleuse - bewegt sich doch!“ Und dann kam auch noch Unruhe auf, denn wir hatten einen blinden Passagier entdeckt. Ein kleiner Frosch hatte es sich auf einem Riesenblatt bequem gemacht. Er schien das Blitzlichtgewitter sichtlich zu genießen und ließ sich auch nach der Schleuse nur mit sanfter Gewalt in sein Element (?) zurück befördern.
Durch einen schmalen Kanal, der die geballte Steuerkunst und Stimmgewalt des ehemaligen Vereinsvorsitzenden erforderte, erreichten wir doch den Springsee.
Nach kurzer Pause, die Lust zum Schwimmen war nicht mehr ganz so ausgeprägt, ging es zurück nach Storkow.- Die Barke wurde trotz starkem, böigen Wind zügig verladen - gelernt ist gelernt - ‚ und am nächsten Morgen ging es in Richtung Heimat. Allen Befürchtungen zum Trotz war die Autobahn völlig leer und gegen 16.00 Uhr war der Bootstransport rechtzeitig vor Beginn der Grillfete wieder am RCW. So weit Werner Katthagen.
Nachzutragen wäre: Eine traumhaft schöne Landschaft, abwechselungsreich, mal hügelig, mal flach. Seerosenfelder wie in Mecklenburg. Kneipen, Pardon Gastwirtschaften zu Hauf, in denen man ausgiebig, gut und noch immer preiswert essen und trinken kann. Die Berliner empfahlen uns, demnächst eine Berlin-Oder-Tour zu planen, die auch sehr schön sei. Für uns so Frank Weber, dem ich an dieser Stelle für die Organisation noch mal recht herzlich danken möchte, ist schon klar, wo es das nächste Jahr hingehen soll: Zur Seenplatte um die Stadt Brandenburg herum. Darauf können wir uns schon jetzt freuen.
Peter Wilhelm/Werner Katthagen