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2010 AH-Wanderfahrt auf der Fulda und Weser

AH-Wanderfahrt - Bild 1Die "Alten Herren" des RCW waren traditionell an Fronleichnam wieder zu einer Wanderfahrt aufgebrochen. Hier der Bericht eines Wanderfahrten-Neulings.



3.6. Donnerstag
Dieter Borgmann sammelt die Ruderkameraden gegen 7:00 Uhr am Clubhaus bzw. am Straßenrand in Annen, mit dem VW-LT-Bus "Jugend-Johannis" und dem am Vorabend mit den Booten Gustav Adolf und Cherry beladenen Bootsanhänger, ein.  Dieter Wenig startet in einem zweiten Fahrzeug.
Nach gut zwei Stunden Fahrt wird in einer Autobahn-Raststätte pausiert und  gegen 10:00 Uhr ist unser Zwischenziel, ein Ibis-Hotel im Raume Kassel, erreicht.

Gemeinsam fahren wir im Bus weiter nach Melsungen, wo ab dem frühen Mittelalter die beiden bedeutenden Handelswege, die Nürnberger Straße und der Sälzerweg kreuzten.
Wir schlendern für fast 1,5 Stunden durch die Altstadt des interessanten Städtchens, mit seinen vielen sehr gepflegten Fachwerkhäusern. Das am Marktplatz liegende alte Rathaus gilt als eines der schönsten Fachwerk-Ratshäuser, in dessen Mittelturm sich zweimal am Tag das Wahrzeichen der Stadt, der Bartenwetzer zeigt.
Besuchenswert ist auch die Stadtkirche, die als neugotische Hallenkirche mit ungewöhnlichen Schlusssteinen in den Scheitelpunkten der Kreuzrippengewölbe, erbaut wurde. Das älteste erhaltene Bauteil aus dem frühen 13. Jhd. ist das romanische Portal im Kirchturm. Als einziger Turm der ehemaligen Stadtmauer ist der Eulenturm erhalten. Er ist beinahe so hoch wie der der Kirche.
Zum Abschluss unseres Rundgangs überqueren wir die 400 Jahre alte Steinbrücke über die, auf der Wasserkuppe entspringende, Fulda. Ihren Namen „Barten-wetzerbrücke“ erhielt der Übergang wegen des Brauchs der Holzfäller früherer Zeiten, auf dem Weg in den Wald ihre Barten im Sandstein des Brückengeländers zu wetzen, also die Äxte zu schärfen.

Nach dem Aufriggern werden die beiden Boote zu Wasser gelassen. Die Stelle ist an sich von der Brücke aus  ideal zu erreichen, vor dem Einsetzen vom Ufer aus, wird aber ein wenig gewarnt. In unmittelbarer Nähe weisen nämlich Strudel auf Felsen hin. Letztlich stellen sie aber für die erfahrene Mannschaft keine unüberwindbare Situation dar.
In knapp über zwei Stunden rudern wir, bei Hochsommerbedingungen, auf der in diesem Abschnitt teilweise schnell strömenden Fulda bis zur ersten Schleuse vor Kassel. Der Fluss weist in diesem Abschnitt zwischen den Höhen des Habichtswaldes und des Meißner-Kaufunger Waldes viele stärkere Windungen und eine an die Saar erinnernde Schleife auf. Zahlreiche Rauhwasserabschnitte sind Folge des stärkeren Flussgefälles mit kleineren Stromschnellen. Die Steuerleute haben unter diesen Bedingungen eine durchaus hohe Verantwortung auf den ihnen ja unbekannten Wegabschnitten übernommen. Sie können sich dabei aber auf die von Dieter hervorragend ausgearbeiteten Streckenbeschreibungen im Bordbuch stützen. Aus dem Verhalten auch der übrigen Ruderkameraden wird klar, wie sehr sie sich dieser Situation bewußt sind.

Wir landen in dem Ort Guxhagen an und lagern die Boote unmittelbar hinter der erwähnten Schleuse. Der erstmalig in die Gemeinschaft aufgenommene Ruderkamerad gibt einem alten Brauch folgend eine Getränkerunde und verpflichtet sich, Wünschen speziell seines „Paten-Onkels“ umgehend nachzukommen.
Nach Zimmerbezug und Duschen fahren wir zum Abendessen in das Restaurant des Ruderclubs RVKHC (RV Kurhessen-Cassel) nach Kassel.
Besonders die aufgetischten Fische munden denen köstlich, die sie mögen und vertragen. Einen kurzen Verdauungsspaziergang durch den wirklich sehr schönen und gepflegten Auepark, einen weitläufigen, typisch englischen Park mit altem Baumbestand, Wiesen- und Wasserflächen brauchen und genießen wir zum Abschluss.
Nach Rückkehr ins Hotel wird dort noch ein Absacker erwünscht und der gelungene Ablauf des Tages besprochen. Von schönen, aber auch spannenden oder kritischen Vorkommnissen vergangener Zeiten wird bis in die Nacht hinein berichtet.

4.6. Freitag
Um 7:45 Abfahrt zum Frühstücken in das Restaurant des Ruderclubs. Einig ist man sich, dass Quantität und Qualität den Wünschen gerecht werden.
Von dort fahren wir mit dem Bus zu den Booten nach Guxhagen, wo die Ruder-kameraden "in See" stechen und an der Mündung, der im Vergleich zur Fulda minimal längeren, aber wasserreicheren Eder, vorbeikommen.

An der nach rund 14 km erreichten Staustufe "Neue Mühle", müssen die Boote auf einem auf Schienen laufenden Bootswagen ca. 200 m „umgetragen" werden. Der Unterzeichner bildet für heute vormittag den Tross, d.h. er bringt den Bus wieder zum Ruderclub, wo die Ankunft der Kameraden erwartet wird.(Zuvor besucht er noch die Gedächtnisstätte Breitenau, in der 1113 n. Chr. gegründeten und lange von Benediktinermönchen geführten Klosteranlage, in Guxhagen. Er bekommt einen 30-minütigen Film über deren Schicksal im Wandel der Zeiten gezeigt und wird anschließend durch das Museum geführt.)
Gegen 12:00 erreichen die beiden Boote nach ca. 17 km den Club, in dem wir unter den Sonnenschirmen sitzend die Mittagspause einlegen. Der Bus wird inzwischen am Nachmittagsziel abgestellt.

Danach rudern wir alle von Kassel aus, auf der hier breiten, wasserreichen und eher träge strömenden „Bundeswasserstraße Fulda", nach ins 22 km entfernt liegende Wilhelmshausen. Der Wärter der bald erreichten Stadt-Schleuse Kassel hat uns per Telefon den Zeitpunkt zur Einfahrt in die Schleuse übermittelt. Hier sind etwa 2 Meter Höhe zu überwinden, in der folgenden Staustufe "Wahnhausen" beeindruckende 8,5 Meter. Wir beenden die Tagesetappe noch vor der nächsten Staustufe und lagern die Boote auf einer Wiese vor dem Bootshaus der Uni Göttingen.

Das Abendessen nehmen wir nach Rückkehr in unsere Kasseler Unterkunft, auf der Hotelterrasse ein, da einerseits die rund 40 Kilometer Rudern ein wenig in den Knochen liegen und uns andererseits bei angenehmsten Temperaturen ein Aufenthalt im Innern eines Wirtshauses nicht sonderlich lockt.

5.6. Samstag
Nach endgültigem Verlassen des Hotels in Kassel und erneut gutem Frühstück im Ruderclub, rudern wir auf den letzten acht Kilometern der unteren Fulda, nach Passage der beiden Staustufen "Wilhelmshausen" und "Bonaforth", zur Schleuse Hann. Münden, auf deren Gelände die Boote über Mittag abgelegt werden.
Die Sonne heizt in dieser Zeit bei wolkenlosem Himmel die Luft sehr schnell auf.
Naturgemäß sucht man in der folgenden Pause gerne den Schatten in einem nahe gelegenen Biergarten. Nach einer kurzen Stärkung tragen wir die Boote für die Weiterfahrt auf den letzten Metern der Fulda, ins Unterwasser um und erreichen binnen einigen Minuten den, am zwischen Fulda- und Werramündung liegenden Tanzwerder, aufgestellten Weserstein, einen großen Monolithen, der unter einer mächtigen Kastanie liegt und in den das bekannte Gedicht eingemeißelt ist:

"Wo Fulda sich und Werra küssen,
sie ihren Namen büßen müssen;
und hier entsteht durch diesen Kuß
deutsch bis zum Meer der Weserfluß.
"

Der Stein markiert den Punkt 0,0 der Kilometrierung der Weser. Von den beiden Quellflüssen führt die Werra weniger Wasser. Der Taleinschnitt ist ab hier an der Schnittstelle zwischen Kaufunger Wald und Reinhardswald mit nur 400 Metern  Breite und auch der Fluß selbst, verhältnismäßig schmal, weshalb daraus eine höhere Fließgeschwindigkeit des Flusswassers resultiert.
Es mögen durchaus sieben oder acht Kilometer in der Stunde sein. Das Rudern wird daher im Strom natürlich erleichtert. Eigentlich sind auf diesem Abschnitt der Weser nur wenige Phasen rudertechnisch bedeutsam, eine kreuzende Treidelfähre z.B. oder der, von einigen z.T. nicht besonders achtsam bewegten Sportmotorbooten und einem hierher verirrten großen Frachtschiff, verursachte Wellengang. (Die vorsorglich mitgeführte Zweitgarnitur fand dennoch keine Verwendung. Weder gingen wir über Bord, noch fiel Wasser vom Himmel.)

Nach 19 km Fahrt durch die Sonnenglut des frühen Nachmittags wird in Nähe des im Jahre 1093 gegründeten ehemals benediktinischen Klosters Bursfelde angelegt und im Garten des Restaurants Klostermühle ein Kaffee genossen. Neben uns Ruderern kehren hauptsächlich Rad- und Fußwanderer hier ein, da sowohl der Weserradweg als auch der Pilgerweg Loccum – Volkenroda unmittelbar vorbeiführen.
Wichtig ist für alle der Besuch der seit der Reformation evangelischen Klosterkirche, die sowohl äußerlich als Basilikabau als auch im Innern als Doppelkirche nach ihrer Restaurierung in reinster, unverfälschter Romanik beeindruckt.

Im Bus kehren wir danach nach Hann. Münden zurück und beziehen Zimmer in der neuen Unterkunft, im inmitten der Altstadt gelegenen „Hotel zur Fulda“.
Die an der Grenze zu Hessen liegende niedersächsische Stadt bezeichnet sich selbst nicht ganz zu Unrecht „Fachwerkjuwel im Weserbergland“, aber auch „Drei-Flüsse-Stadt“ oder nach einem angeblichen Zitat von A.v.Humboldt „eine der sieben schönstgelegenen Städte der Welt“. Sie zieht Besucher in Scharen an. Sie alle amüsieren sich über das Spottlied auf den hier 1727 verstorbenen  und begrabenen Wanderarzt Dr. Eisenbart:

Ich bin der Doktor Eisenbart,
Widewidewid, bumbum!
Kurier’ die Leut’ nach meiner Art.
Widewidewid, bumbum!
Kann machen, daß die Blinden geh’n,
Widewidewid, juch-hei-ras-sa!
Und daß die Lahmen wie der seh’n.
Widewidewid, bumbum!
Gloria, Viktoria, jucheirassa.
Gloria, Viktoria, Widewidewid, bumbum!

…..

Wir verleben einen sehr vergnügten Abend im Ratsbrauhaus beim Abendessen vom umfangreichen Büfett und während einer abschließenden Brauereiführung. Unsere Kehlen müssen allerdings auf dem Heimweg durch die nächtliche Stadt noch bei „Onkel Paul“ mit einem stärker gehopften Naß durchgespült werden.


6.6. Sonntag
Dieter W. muß uns schon in aller Frühe verlassen.
Wir übrigen nehmen das Frühstück noch in aller Ruhe ein und fahren anschließend zu unseren Booten nach Bursfelde.
Es ist wieder ein herrlicher Tag über dem Oberlauf der Weser aufgezogen, den man mit allen Sinnen und Fasern genießt. Da unsere Abreise nach Witten erst am Mittag vorgesehen ist, stemmt sich keiner von uns mit Macht in die Skulls, zumal die Bootsfahrt bereits an der Anlegestelle der Fähre in Wahlsburg-Lippoldsberg endet. Nach unserer Ankunft werden die Boote abgeriggert und verladen. Nach einer Erfrischung im Biergarten des „Hotels zum Anker“ treten wir - teilweise - etwas ermattet, aber alle frohgestimmt die Heimreise an. Auf dem Wege ziehen immer dichter werdende Wolken auf, aus denen es kurz nach unserer Ankunft zu tröpfeln beginnt.
Am nachfolgenden Abend treffen wir uns nochmals zum Aufriggern, Reinigen und Verstauen der Boote.

Zum Schluß noch einige Bemerkungen von mir:
Die Ruderwanderfahrt war für mich ein außerordentlich schönes Erlebnis. Ich bin sicher, daß alle Ruderkameraden dasselbe empfunden haben. Natürlich waren die äußeren Bedingungen nicht  mehr zu übertreffen. Es herrschte stets eine hohe Kameradschaft und gegenseitige Rücksichtsnahme. Besonders aber möchte ich die Mühen bei den Vorbereitungen auf diese Tage und die vorausschauende Fürsorglichkeit für uns durch Dieter Borgmann hervorheben. Man hatte immer das Gefühl der Sicherheit. Wir konnten ihm zu jeder Zeit und unter allen Umständen stets vertrauen. Wir alle sind ihm zu echtem Dank verpflichtet!

Fritz Gerlach

Als Teilnehmer waren dabei:
Dieter Borgmann, Hans-Wilhelm (HW) Brück, Michael Göhler, Siegfried Held,
Siegfried (Sissi) Knoop, Axel Kunde, Anton Schnurr, Dieter Wenig und Fritz Gerlach.

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