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08. Juni 2016

2016 Familienwanderfahrt auf der Fulda

Eine Familienwanderfahrt stromaufwärts

Da stehen wir in Melsungen am Ufer der Fulda und starren auf Steine und Strömung, vor dem geistigen Auge unseren Einstieg in die Boote mitten im zu wenig Wasser führenden Fluss, vor dem geistigen Ohr (gibt es so was?) die fiesen Kratzgeräusche der Steine am Bootskiel. Es ist Samstag, der 21. Mai 2016, morgens gegen 9 Uhr. Schnell ist uns klar, dass der Plan, hier die Boote zu Wasser zu lassen und nach Kassel zu fahren, nicht realisierbar ist.

 

 Also bringen wir die Boote zurück nach Kassel. Dort haben wir die Nacht in der Jugendherberge verbracht nach einem frugalen Abendessen (ja, es gibt sie, die guten Jugendherbergen mit freundlichen Familienzimmern, gutem Essen und engagierten Herbergseltern, und es gibt Jugendherbergen wie in Kassel), von dort sind wir morgens im Auto nach Melsungen gefahren und unverrichteter Dinge wieder zurückgekehrt.

 

Während wir nun die Boote am Ruderverein Kurhessen-Kassel für die anstehende Fahrt klarmachen, mitten im Trubel einer Kinderregatta, lassen sich einige von uns von Ortskundigen beraten.
So erfahren wir, dass die Fulda stromaufwärts von Kassel beim aktuellen Wasserstand nur bis Guxhagen oberhalb der Edermündung mit Ruderbooten befahrbar ist, die Strecke lohne sich aber landschaftlich sehr. Und so ist sie geboren, die Idee zur mutmaßlich ersten (und wahrscheinlich auch letzten) Familienwanderfahrt des RCW stromaufwärts.

 
Guten Muts machen wir uns auf, vier Boote mit insgesamt 17 Ruderinnen und Ruderern von 11 bis 65 Jahren, sechs Kinder und 11 Erwachsene, begleitet von einer Gruppe Radfahrerinnen und Radfahrern; die jüngsten Teilnehmer, Hannes Büttner und Mitja Kok, 7 und 9 Jahre alt, sind hier mit dabei, außerdem Nina Büttner, Elmar Kok, Sule Mezger (die am zweiten Rudertag mit Sylvia Remscheid zwischen Rad und Ruderboot wechseln wird) und die Frau vom Chef de compagnie, Anne Rodewig.

 
Nicht nur die Radelgruppe, auch wir Rudernden müssen stromaufwärts den ein oder anderen kleinen Anstieg bewältigen, umtragend mithilfe eines kleinen Schiebewagens an der ersten Staustufe, rudernd gegen den Strom an den zahlreichen Schwallstellen. Dennoch geht die Fahrt zunächst reibungslos, unterbrochen nur von einem kleinen Malheur in „Cherry“, bei dem im Bug aufgrund plötzlich einsetzender Übelkeit die Fuldafische gefüttert werden und unsere Steuerfrau aus überbordendem Mitgefühl kurzzeitig ihren Dienst versagt. Doch sowohl dem Fischefütterer als auch unserer kleinen Steuerfrau geht es schnell wieder gut, sodass die Fahrt weitergehen kann.


In Höhe Baunatal-Guntershausen kommt es dann zum Auseinanderfallen unserer Gruppe. Die zwei Vierer können eine heftige Gegenströmung unter einer Straßenbrücke passieren (nachdem „Jugend“ fast die Festigkeit des Brückenpfeilers getestet hätte), der Dreier und der Zweier drehen bei und kehren um. Die Radlergruppe auf dem Uferrradweg, die schon bis zum geplanten Zielort vorgestoßen ist, wird mal von der einen, mal von der anderen Ruderfraktion telefonisch zur geplanten gemeinsamen Mittagsrast gerufen und verzweifelt ob unserer Uneinigkeit. Das sind so die Tücken einer Ruderwanderfahrt stromaufwärts.
Die beiden Vierer, die weitergefahren sind, schaffen es dann auch noch, sich zu verfahren, weil die Edermündung für den weiteren Fuldaverlauf gehalten wird (auch das kann stromabwärts schlechterdings nicht passieren). Ortskundige Spaziergänger am Ufer weisen uns den rechten Weg (wann kann man schon mal einem verirrten Ruderboot auf den rechten Weg helfen??). Die Strecke bis Guxhagen wird bei gefühlten zwei Stundenkilometern Rudergeschwindigkeit noch mühsam und lang, die Erleichterung bei Ankunft dort um so größer. Die Boote werden kreativ am Ufer verstaut, und selten hat eine Jause so gut getan.

 
Der Rückweg nach Kassel vergeht tatsächlich wie im Flug. Der Rest der Rudergruppe hat uns geduldig erwartet, die Boote werden für die Nacht auf dem Gelände des Rudervereins (sehr schön, weitläufig, die Gebäude und Bootshallen vom feinsten) gelagert. Wir fallen geduscht und hungrig wie die Löwen
in einer Pizzeria ein, bringen die Mannschaft dort gehörig ins Schwitzen und erholen uns selbst prächtig von den Anstrengungen des ersten Tags mit der Premiere der Ruderwanderfahrt stromaufwärts. Selbst der Umstand, dass der größte Teil der Gruppe das DFB-Pokalfinale verpasst, stört da nicht weiter.

Am nächsten Tag ist der Stromaufwärts-Spuk vorbei. Entsprechend gelöst ist die Stimmung und schnell das Vorwärtskommen. Hinderlich sind auf dem Weg nach Hannoversch-Münden nur die zahlreichen Schleusen, die aber alle reibungslos und ohne Umtragen funktionieren. Besonders beeindruckend ist die Schleuse Wahnhausen mit einer Fallhöhe von immerhin 8,5 Metern – das Schleusen kommt uns vor wie eine kleine Ewigkeit, und das Ruderboot im Höllenschlund der Schleusenkammer wie eine Nußschale.


Auch am zweiten Rudertag steht die gemeinsame Mittagsrast zunächst unter keinem guten Stern. Der mit der Radlergruppe vereinbarte und telefonisch avisierte Treffpunkt Gut Kragenhof liegt inmitten eines Vogelschutzgebiets, zu dem der Zutritt von der Wasserseite aus durch eine Vielzahl von Schildern verboten ist. Unser Fahrtenleiter, von der Prüfung zum Rheinsteuermann noch frisch über die Konsequenzen informiert, ein solches Verbot zu ignorieren, weigert sich zunächst standhaft, bei dem Gut an Land zu gehen, obwohl der junge Gutsbesitzer uns immer wieder ans Ufer heranwinkt. Dann doch noch glücklich gelandet, genießen wir das gemeinsame Picknick unter Bäumen, das Spielen auf dem Gutsgelände (einschließlich Hängematte und Slackline) sowie einige ein vogelfreies Bad in der doch noch ziemlich kalten Fulda (was haben wir für ein Glück mit dem Wetter!).

 
Immer fröhlich stromabwärts rudernd, erreichen wir fast mühelos (zumindest im Vergleich zu den Anstrengungen des ersten Tags) unser Ziel in Hannoversch-Münden. Jedes unserer Boote hat sich seine eigenen Meriten verdient: „Jugend“ mit Ben Büttner, Dieter Peters, Finn Pilchner, Jörg Reissig und unserem Fahrtenleiter Klaus Rodewig den Preis für die stärksten sportlichen Leistungen, vor allem die höchste Endgeschwindigkeit in den ewigen „Duellen“ mit „Cherry“ und natürlich Klaus` unvergesslichen Kopfstand im Boot kurz vor Schluss (wenn schon bei einer Ruderwanderfahrt einiges falsch herum läuft, darf der Fahrtenleiter ruhig auch mal Kopf stehen!);
„Cherry“ mit Götz und Lisa Büttner, Stella Kok, Volkhart Mezger und Andreas Remscheid für das ausdauerndste Singen beim Rudern (die Wanze, die drei Chinesen, die Tante aus Marokko und noch so manches andere Lied in endlosen Schleifen) und das erfolgreichste Sich-selbst-nass-Spritzen;
„Gustav-Adolf“ mit Aiga Pilchner, Tom Reissig, Levin Remscheid und Matthias Schroeder für den elegantesten Ruderstil;
und natürlich der „Flotte Dreier“ mit Barbara Luka, Sylvia Remscheid (am zweiten Tag Sule Mezger) und Agnes Schroeder für das eindeutig beste Aussehen und die schönste Verwirrung über Steuerbord und Backbord.

 
Wir hatten alle unseren Spaß, sogar beim Stromaufwärtsfahren; wir sind alle gesund und munter wieder in Witten gelandet (nur Dieters Uhr hat die Eignungsprüfung zur Wanderfahrttauglichkeit leider nicht bestanden und ist hin); wir danken unserem Fahrtenleiter Klaus Rodewig für seinen Einsatz und seine unerschütterliche Ruhe in der Bewältigung aller krisenhafter Situationen; wir freuen uns schon auf die nächste Familienwanderfahrt in 2017 und hoffen wieder auf rege Beteiligung. Auch diese Fahrt ist ein Beispiel dafür, wie lebendig unser Ruder-Club Witten ist und hoffentlich lange bleiben wird!


Götz Büttner

 

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