Kinderwanderfahrt auf der Ruhr 2019
Oder: Freitag der 13. – Mythos oder echter Unglückstag?
Eine Kinderwanderfahrt an einem Freitag, dem 13. (September) zu starten, würden viele abergläubische Menschen kategorisch ablehnen. Wikipedia weist die abergläubische Furcht vor diesem Tag als Paraskavedekatriaphobie aus (auch Mediziner lernen nie aus), aber davon lassen wir uns doch nicht schrecken – oder??
Als pünktlich um halb fünf das letzte der fünf gesteuerten Vierer-Gigboote am unteren Ruhrsteg des RCW ablegt, beschienen von der spätnachmittäglichen Sonne, haben wir erfolgreich jedem Aberglauben die Stirn geboten. Bis ein hässliches Geräusch splitternden Holzes die triumphale Rückkehr des Ungeistes namens Aberglaube ankündigt.
Der in mühevoller Montagearbeit noch während der Einteilung der Boote fixierte Notsteuersitz der altehrwürdigen Lilly will seine vorgesehene Position im Boot nicht einhalten, verabschiedet sich unvermittelt kippend ins Heck und durchbricht dabei auf beiden Seiten die Bordwand des Bootes.
Lilly läuft in Sekundenschnelle voll Wasser und fällt damit nachhaltig, hoffentlich nicht endgültig, aus. So kommt Ocki, unser schicker neuer Gigvierer italienischer Provenienz, unverhofft zu seinem ersten Einsatz auf einer Wanderfahrt – er erweist sich trotz der bekannten Probleme (wenig Zulademöglichkeit, keine Befestigung für eine Heckleine zum Treideln) als gut tauglich für dieses Einsatzgebiet.
Nach diesem kleinen Unglück verläuft die Fahrt unfallfrei (wenn man mal davon absieht, dass wir an der Schleuse Herbede doch umtragen müssen, da trotz beherztem Einsatz eines Technikers im Auftrag der Bezirksregierung die Steuerung der Bootsgasse nicht repariert werden kann). Wir erreichen den Ruderverein Blankenstein, werden dort von Familie Sandmann erst kulinarisch, dann kulturell/kultig versorgt. Die wunderbare Nachtwächterführung von Henning durch den alten Ortskern von Blankenstein rings um die Burg bleibt in Erinnerung!
Die Übernachtung im Bootshaus des Rudervereins Blankenstein bleibt auch im Gedächtnis wegen der grandiosen Morgenstimmung über der Ruhr. Wir haben ein Wochenende mit bestem Wetter erwischt (eine kleine Wiedergutmachung für die metereologische Schmach 2018), und bei schönstem Sonnenschein geht es auf die lange Samstagsetappe.
Bis Hattingen verläuft sie reibungslos, dann müssen wir der Trockenheit des Ruhrtals und dem dadurch verursachten niedrigen Wasserstand Tribut zollen. Die Schwallstelle unterhalb der Isenburg ist ab einem Stand von 1,25 Metern (Pegel Hattingen) problemlos passierbar, wir haben weniger als ein Meter – da ist die berühmte Handbreit Wasser unter dem Kiel akut gefährdet. Also holen wir die fünf Boote oberhalb des Hattinger Wehrs aus dem Wasser, laden sie auf den Hänger und setzen sie in Dahlhausen wieder ein.
Diese Aktion findet zwar nicht am Freitag, dem 13. statt, ist aber das größte Unglück dieser Fahrt. Das Ab- und Aufriggern sowie der Transport der Boote kosten sehr viel Zeit und Nerven. Wenn der Klimawandel fortschreitet, die Trockenheit weiter zunimmt, wird neben allen bekannten katastrophalen Folgen auch die Ruhr als Ruderwanderrevier verloren gehen.
Der weitere Verlauf der Etappe von Hattingen bis zum Baldeneysee verläuft wieder reibungslos. Müde und mit schmerzenden Händen und Hintern erreichen wir das Bootshaus der Ruderriege Mark, sehr schön gelegen in unmittelbarer Nachbarschaft des Ruderclubs am Baldeneysee. Hier wartet der nächste kulturelle Höhepunkt der Fahrt: Am Seaside Beach tritt an diesem Samstag Marc Forster auf. Dessen Musik trifft den Geschmack der Kinder deutlich besser als den der Betreuer*innen, aber das Erlebnis des Konzerts vom Boot aus erweist sich als großartig. Wir fahren in der Dämmerung mit zwei Booten auf den spiegelglatten See raus (der Rest der Teilnehmer*innen war zu müde), dem aufgehenden Vollmond entgegen, und lauschen von diesem schönsten vorstellbaren Logenplatz aus der Musik – unvergesslich!
Der Sonntag macht seinem Namen alle Ehre, die Morgenstimmung am Baldeneysee ist zwar auch nicht zu verachten, kann aber mit der in Blankenstein keinesfalls konkurrieren. Das berüchtigte Umtragen an der Schleuse Baldeneysee erweist sich dank des tatkräftigen Einsatzes vieler helfender Hände und dem sehr praktischen neuen Bootstransportwagens des RCW als gar nicht so schlimm wie befürchtet.
Nach einem entspannten Rudertag kommen wir ganz pünktlich im Zeitplan in Mülheim an, wo unsere diesjährige Kinderwanderfahrt endet. Der Erfolg der Fahrt wäre nicht möglich gewesen ohne die vielen helfenden Hände – fast alle Eltern haben uns geholfen, und einige Hilfsangebote konnte ich gar nicht mehr annehmen; vielen Dank dafür!
Teilnehmer*innen: Amelie, Annabel und Lea-Sophie Lehde, Amelie Sandmann, Carl Harris, Christian und Max Solomov, Dascha Benning, Emil Maaßen, Erik Lopez, Jakob Nickel, Johanna Thiele, Julia Irmler, Julie und Laurin Moll, Liana Büttner, Lisa Büttner, Madita Weinhold, Melina Möller und Sara Witte.
Betreuer*innen: Agnes Werning-Schroeder, Götz Büttner, Jörg Reißig, Mark „Otta“ Lukas und Pia Vittinghoff (am letzten Rudertag krankheitsbedingt ersetzt durch Ben Büttner).
Witten, 01. November 2019
Götz Büttner