Eine Ruderwanderfahrt auf der Themse
Vom 03– 13. Juli von Lechlade bis London
Nach einer durchgefahrenen Nacht erreichten wir Calais am 3.7. morgens um 2:30 Uhr und setzten um 4:45 Uhr nach Dover über. Die erste Überraschung war, dass unser Sprinter als Minibus gezählt wurde und wir dafür noch 182 € nachzahlen mussten. Nach 90 Min Überfahrt erreichten wir Dover und begaben uns direkt auf den Weg nach Lechlade, wo wir am späten Vormittag auch samt Barke wohlbehalten ankamen.
Wie von Helmut und Pitze angeleitet, ließen wir unser Gefährt ordnungsgemäß zu Wasser und vertäuten es für seinen Einsatz am nächsten Morgen. Fast 200 Bierdosen hatten wir in den Laderäumen verstaut, die wir für die Lockkeeper als „Danke schön“ vorgesehen hatten. Zugegeben, einige waren auch neben diversen anderen festen und flüssigen Nahrungsmitteln für den Eigengebrauch gedacht.
In unserer ersten Herberge mussten wir eine Weile auf unser Abendessen warten, da das Küchen- und Servicepersonal vor dem Fernseher das Achtelfinalspiel England – Kolumbien verfolgte, das dann, Gott sei Dank in Bezug auf unser Abendessen, im Elfmeterschießen glücklich für die „Three Lions“ ausging. Wir jubelten als Gäste höflich mit, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass wir seit 1964 doch schon 3 Mal Weltmeister geworden sind und es jetzt schon ok sei, wenn sie auch mal wieder zum Zug kämen. (Man muss eben auch mal gönne könne).
Am nächsten Tag ging die Fahrt früh am Morgen los und brachte uns bis nach Newbridge, wo uns auch der Landdienst gut mit den Wagen erreichen konnte.
Der 1.Tag war also nach 21 Km und 5 Schleusen geschafft. Das Schleusen war überhaupt kein Problem, wir hatten amüsante Gespräche mit den Lockkeepern oder oft mussten wir sogar selbst die Tore öffnen und schließen, denn der Keeper war „out of duty“.
Direkt bei der ersten Schleuse konnten wir beobachten, was passiert, wenn man nicht hellwach ist, als ein mitschleusendes Motorboot mit seinem Waschbord an den Kaimauer hängen blieb, während das Wasser rasch sank. Nur ein beherztes Eingreifen unsererseits verhinderte größeren Schaden.
Zwei Tage später war die Clifton Schleuse unpassierbar, weil eine Motoryacht mit der Spitze unter einen Querbalken des Schleusentores geraten war, während der Wasserpegel stieg und schließlich das Boot unter Wasser drückte. Hier mussten wir unseren Trailer heranholen, um unsere Barke über Land stromab zu fahren und hinter der Schleuse wieder ins Wasser zu lassen.
Aber das war erst am drittenTag. An den Tagen vorher genossen wir die naturbelassene Themse, durch die die Barke nicht immer leicht zu steuern war, denn es war z.T. sehr eng. Einmal zum Fotografieren weggeschaut, hing man schon mit den Blättern im Schilf. Je nach Steuermann wurde das entweder als eigenes Verschulden oder als Problem der Mannschaft gewertet, die einfach nicht gleichmäßig zog. Aber das kennen wir ja, es muss auch mal jemand anderes schuld sein.
Als Ausdruck unserer politischen Gesinnung hissten wir die Europaflagge über dem Union Jack und der Deutschlandflagge, die wir bescheiden zu unters platzierten. Die Reaktionen waren unterschiedlich, z.T. freundliches Zunicken oder eben missbilligendes Wegschauen.
Etwa bei der Hälfte der Tagesstreckte trafen wir uns mit den Trossfahrern und hielten Picknick, wofür wir die Kombüsen reichlich gefüllt hatten mit Vollkornbroten, Käse, Dauerwürsten, Marmeladen und anderen Schleckereien. Im Detail möchte ich darauf nicht weiter eingehen, um keinen Anlass zu geben, die Ernsthaftigkeit unserer Fahrt in Frage stellen zu können. Es wurden Nickerchen gemacht, geschnarcht und gelegentlich auch selig geträumt.
Die dabei waren, wissen woran ich denke und wovon zu schweigen sich dem Eingeweihten geziemt.
Unsere erste Herberge war für uns, die luxuriöseres gewohnt sind, eine Herausforderung, die wir aber souverän gemeistert haben. Es war eine Vorstufe zu den Clochards unter den Brücken der Seine. Na gut, etwas übertrieben, aber es war schon sehr einfach und sollte nur von unserer letzten Herberge noch unterboten werden.
Wer schon mal in Asien in einem Schlafsaal für low-budget Backpacker genächtigt hat, weiß wovon ich rede. Aber das hat uns nicht nachhaltig beeinträchtigt, vielmehr unseren Einfallsreichtum angespornt und uns zu einer verschworenen Truppe werden lassen.
Wir trugen einfach alle verfügbaren Stühle in den Vorhof unseres Guesthauses und je nach Blickwinkel der davorliegenden Bushaltestelle. Stellten dazwischen zwei kleine Schreibtische und schon war der Platz für unsere abendliche Sause bereitet. Es floss der Wein und auch das Bier und so war für gute Stimmung gesorgt.
Nach dem Frühstück in selbiger Gastlichkeit, machten wir uns auf die nächste Etappe unter strahlend blauem Himmel. Lieber Helmut, bei aller Liebe, das Bier war in den Luken auch unterhalb des Wasserpegels lauwarm. Bei Euch muss es 1990 kälter gewesen sein. Unterwegs gingen zwei Fender verlustig, die wir dann großzügig durch vier neue Qualitätsfender ersetzt haben.
Wir wuchsen mit der Barke sozusagen zu einer Einheit zusammen. Den zweiten Abend vertäuten wir sie zwischen luxuriösen Yachten, wo wir sie angemessen gesichert wussten und nahmen an dieser Marina das Abendessen und auch das nächste Frühstück ein – ein bisschen Exklusivität zwischendurch tat uns natürlich auch ganz gut, damit wir nicht aus unserem gewohnten Tritt kamen.
Der 3.Tag war, wie schon erwähnt von der durch eine gesunkene Yacht blockierten Schleuse geprägt, aber auch dieses Hindernis haben wir mit Bravour umfahren.
Für den 4.Tag war ein Hotelwechsel nach Reading vorgesehen, wo wir erneut 3 Tage nächtigten.
Von hier aus ging es am Sonntag mit dem Zug nach Henley zur Royal Regatta. Wir hatten uns alle ganz fein gemacht, die Damen im langen Kleid, die Männer mit Sakko, gestärktem Kragen und Vereinsschlips und alle mit Hut. Es war schon ein Erlebnis mit dem Zug dorthin zu fahren, der am Ziel einen Schwall mehr oder weniger auffällig gekleideter EngländerInnen ausspuckte.
Im Pulk ging es dann gemeinsam zur Regattastrecke. Marc Weber hatte für uns gebürgt und dadurch die Bestellung der Eintrittskarten für den „Stewards Enclosure“ ermöglicht. Wir sahen manche Spitzenruderer aus der ganzen Welt um die begehrten Trophäen kämpfen und das Publikum ging begeistert mit. Leider mied uns an diesem Tag die Königsfamilie, hatten wir doch gehofft Meghan, Harrys neue Angetraute, hier zutreffen und ein Selfie mit ihr machen zu können.
Die Themse wurde in den nächsten Tagen breiter und die Ufer waren z. T. mit prunkvollen Bauten besetzt, aber es gab auch süße Bootshäuser, die so bewachsen waren, dass sie kaum noch von der Umgebung unterschieden werden konnten. Das Haus von George Clooney haben wir sicher auch gesehen, wir wissen nur nicht welches es ist.
Die letzten beiden Nächte verbrachten wir in einem Guesthouse, dessen Vierbettzimmer nicht immer Platz für das Gepäck bereit hielt, das dann auch schon mal über Nacht auf dem Flur stehen musste.
In Anbetracht der Unerfahrenheit mancher Mitruderer in Sachen Wanderfahrt auf unruhigem Gewässer und regem Schiffverkehr verzichteten wir auf die letzte Etappe durch London und ließen uns stattdessen mit einem Fahrgastschiff nach Greenwich fahren. Hier umschließt die Themse die Isle of Dogs, auf der Greenwich mit seinem auf einem Hügel gelegenen Observatorium und seiner bezaubernden Altstadt liegt. Dank der grünen Parkanlage, den vielen alten mittelalterlichen Bauten wurde Greenwich 1997 als Unesco Weltkulturerbe anerkannt.
Auf dem zentralen Hügel liegt der Nullmeridian als Edelstahlrinne in der Erde und manche Besucher ließen es sich einige Pfund kosten, sich breitbeinig darüber zu stellen, ein Bein im Osten und eines im Westen.
Nach diesem Abstecher besuchten wir Westminster Abbey, wo wir die evening songs, eine Messe mit Chorgesang, besuchten, um uns danach die 7506 aufgeschichteten Ölfässer von Christo im Hyde Park anzusehen.
Das war der Abschluss einer insgesamt wunderschönen Ruderwanderfahrt, so dass wir wehmütig, aber erfreut über die vielen Erlebnisse und besonders dem guten freundschaftlichen Miteinander und ohne größeren Schaden an Bus, Trailer und Barke die Heimreise antreten konnten.
Das Barkenteam waren: Antje u. Friedhelm Blennemann, Sigrid Hermes-Dönhoff, Ötte Dönhoff, Irmgard Frinken, Axel Kunde, Klaus Rodewig und Udo Wegermann vom Ruder-Club Witten und Martina Carmes, Petra Röder und Hans Vywer vom Neusser RV.
Klaus Rodewig Hier sind noch einige Fotos