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01. November 2024

37. Weserachter

37. Weserachter

Es ist Herbst. Schon Oktober. Höchste Weserachter-Zeit. Seit 1985 gehört die alljährliche Fahrt von Hann.(oversch) Münden bis Hameln zum RC Witten wie der rote Stern in seiner Flagge. Wer nachrechnet, stellt fest: Nur 3x in all der Zeit ist die Tour ausgefallen (1991, 1995, 2010). 132,6 km in 1 1/2 Tagen. Männersache. Genauer, auch wenn es nicht ganz so heroisch klingt: Rudern für Herren. Alte Herren. Unsichtbar fit. Wer sich die Fotos ansieht, kommt selbst bei wohlwollender Schätzung auf einen Schnitt im Bereich Ü 70. Da reißen auch die Jungspunde Götz und Jörg nichts mehr herum. Unsere beiden Organisatoren, denen auch an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich für eine perfekte Planung und Durchführung gedankt sei. 

33 Fahrtenberichte gibt es schon. Wer auch hier nachrechnet: Nur in drei Jahren (1988-1990) hatte es womöglich mehr zu verschweigen als zu beschönigen gegeben. Wie auch immer - in 2024 hat sich jedenfalls nichts ereignet, was nicht schon so oder ganz ähnlich erlebt und - mal wortreich, mal amüsant, mal keines von beidem - beschrieben und berichtet worden wäre: Der eiskalte Herbstnebel am Morgen, der sich unter der noch wärmenden Sonne in einem gleißenden Glitzern des Wassers auflöst. Die wohltuend schweigende Monotonie des Ruderschlags. Bisweilen untermalt vom Quietschen einer verklemmten Dolle oder einer synkopisch daherkommenden Flatulenz. Majestätisch gegen die Strömung gleitende Schwäne. Coole Enten in rasender Fahrt flussabwärts. Kühe ohne ein Muh des Grußes. Und alle paar Kilometer ein Reiher. Stocksteif wie ein Pfosten in der Uferböschung. Eine Wanderfahrt ohne vergessenen Ausleger. Ohne Schleusenwärter, der verschlafen hat. Ohne einen im Vorjahr doch noch vorhandenen Steg. Ohne Wolkenbruch und Havarie, Diarrhö oder Glutealitis. Eine Wanderfahrt, auf der alles glatt und bestens läuft. Wunderbar für den Ruderer. Langweilig für den Leser. Eine Herausforderung für den Chronisten. 

In diesem Jahr hatten sich 14 rudernde und 3 bevorzugt radfahrende Kameraden an- und auch nicht wieder abgemeldet. Man hatte daher 5 teils e-motorisierte Fahrräder für den Sport an Land aufgeladen. Hier die Teilnehmer 2024 (in alphabetischer Folge): Dieter Borgmann, Götz Büttner, Ötte Dönhoff, Michael Göhler, Volker Grabow, Uli Gründling, Mark „Otta“ Lukas (RC Mark Wetter), Rolf Nikolas, Jörg Reißig, Klaus Rodewig, Anton Schnurr, Matthias Schröder, Wolf-Rainer Schulz (RV Bochum), Stephan von Petersdorff (RaB Essen) sowie die Radler Hermann Denkhaus, Dieter „MoK“ Peters und Udo Wegermann. Der Verfasser war als Ersatzmann aus dem sog. Ruhrachter angeheuert worden, in dem er seit mehreren Jahren mit einigen der diesjährigen Teilnehmer auf Masters-Regatten am Start ist.

Freitag, 04.10.: Anfahrt nach Hann. Münden. Vorbei am Dorf Wilhelmshausen/Fulda. Hier hatte der Verfasser vor 50 Jahren gerudert und die Ruderausbildung der Sportstudenten an der Uni Göttingen geleitet. Aufriggern am Bootshaus des Mündener RV von 1912. Lange her. Damals dankt ein 6-Jähriger als letzter Kaiser von China ab. Geburtsjahr von Karl Adam. In den USA geschieht, worauf im Jahr 2024 nicht wenige vergebens gehofft haben: Die Republikaner spalten sich und ein Demokrat wird Präsident. Nach dem Aufriggern wird der 10er-Turbulator gegen einen Korkenzieher ausgetauscht und die Schraubbewegung fortgesetzt. Rotwein am Bootssteg. Bester Tropfen aus Götzens exquisitem Assortiment. Unterkunft in den Hotels „Alte Windmühle“ und „Fulda“. Mitten in einer der verwinkelten Gassen dieses malerischen Fachwerkstädtchens. Abendessen im Kellergewölbe des Ratsbrauhauses. Dazu Biere aus eigener Brauerei.

Samstag, 05.10.: Startpunkt: 8:30.

 Bild1

Auch der Schleusenwärter ist schon hellwach. Die Weser dampft. Zwei „Ruder halt!“ zum Lenzen über Steuerbord. Wechsel Bootsbesetzung/Landdienst jeweils in Bursfelde, Bodenfelde und beim WSV Beverungen. Dort üppiges Mittagessen. Weiterfahrt bis Tagesziel RC Holzminden, mit Wechselstop beim RV Höxter. Wolf-Rainer platzt der Reifen von Otta‘s unkaputtbarem Bike. Wohltuendes Duschen in der bewährten Unterkunft Hotel „Buntrock“. Festlich gedeckte Tafel. Lockere Gespräche bei leckerem Essen. Kartoffelsuppe, danach der Klassiker: mild panierter Zander, Apfelstrudel. Flasche um Flasche feine Weine. 

Sonntag, 06.10.: Start noch früher. 8:10 Wasserzeit. Bestes Herbstsonnenwetter. Wärmer als gestern. Volker schon wieder barfuß. Ordentlich Strömung und stellenweise Schiebewind. Da sind dann auch schon mal 18 km/h drin. Wechsel in Polle scheitert, weil der Landdienst nicht die richtige Uferseite gefunden hat. Dort begrüßt uns Dagmar, Patentochter der Eltern Grabow. Herbeigeeilt aus ihrem traumhaft am Fluss gelegenen Alterssitz. Gezogen von einem ungestümen Setter. Man fragt sich, wer da wen an der Leine hat. Wechselpause in Bodenwerder, wo wir just in dem Moment anlegen, in dem ein Vierer des Deutschen RC von 1884 Hannover sein Boot zu Wasser lassen will. Die mit Zeitlupen-Schlagzahl 14 durch die Weser treibende Mixed-Crew ist noch nicht weit gekommen, als wir sie eine halbe Stunde später überholen. Der Altersunterschied zwischen Ü70 und U80 macht sich doch bemerkbar! Wir sind an diesem Tag aber auch sowas von ambitioniert unterwegs! Angefeuert von Volker, der in immer kürzer werdenden Abständen mit einem ungeduldig gerufenen „Schweinebraten“ das Letzte aus uns herauszuholen sucht. Schweinebraten - das Crescendo einer jeden Weserachter-Fahrt. Köstlich-Krustiges aus der Küche der Kastellanin des RV Weser Hameln, der Endstation unserer Fahrt. Aufgetischt in - selbst den unersättlichsten Ruderer überfordernden - Unmengen, serviert mit Kartoffeln und Blumen-, speziell Rosenkohl. Doggy Bag? Keine Chance. Frau Wirtin hat selbst einen Hund.

Staufreie Rückfahrt. In Witten wird auch noch der Rennachter aufgeriggert. Der lag seit einer Woche transportbereit für die sonntags zuvor wegen Hochwasser abgesagte Bernkasteler Langstreckenregatta um den „Grünen Moselpokal“ in der Halle.

Dann ein Tschüss hier, ein Winke-Winke dort. Danke, es war toll mit Euch. Bis zum nächsten Jahr. Dann aber wieder Ende September. 


Stephan von Petersdorff