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1995 AH-Wanderfahrt in Ostfriesland

 

Ostfriesland - eine etwas andere Wanderfahrt

Gute und schlechte Nachrichten gibt‘s im Paket

Angeregt durch den Artikel „Das Beste am Norden ist ein Kurztrip durch Ostfriesland“ in der Zeitschrift „rudern“, beschloss Thomas Blumberg für mutige Alte Herren eine Ostfriesland-Tour: die etwas andere Wanderfahrt über Siele, Tiefs, Kanäle und Meere. Mit ihm starteten - Michael Göhler musste auf ärztliches Anraten schweren Herzens verzichten - Dieter Borgmann, Hans Falk, Wilfried Güthoff, Siegfried Held, Gerd Locher, Dieter Wenig und Dieter Werner zur Seehafenstadt Emden.

Nach zünftigem Abendessen liehen (beachte: gem § 598 BGB ist Leihe kostenlose Gebrauchsüberlassung) wir uns vom RV Emden 2 Doppelvierer, um diese gesteuert bei 3 besetzten Ruderplätzen zu fahren. Dies war eine äußerst bedeutsame Entscheidung. Durch den freien Ruderplatz hatten wir genügend Stauraum, da wir keinen Tross haften und sämtliche Utensilien mitnehmen mussten. Noch wichtiger aber war, dass während der gesamten Wanderfahrt, insbesondere aber auf den Gewässern im Stadtgebiet von Emden, die Steuerleute schwer arbeiten mussten.

Wenn in der Fahrtankündigung von Kanälen die Rede war, so wurden landläufige Vorstellungen schnell revidiert. Als Kanäle werden im hohen Norden auch Gewässer bezeichnet, die man bei uns unter „breitere Gräben“ klassifiziert. Bei den vielen rechtwinkligen engen Kurven hätten sich die Steuerleute am liebsten einen „Gelenkvierer“ gewünscht.

Zwar hatte unser Fahrtenleiter die Steuerleute mit gutem Kartenmaterial versorgt, in dem die Wasserstraßen sogar nummeriert waren, doch war man anscheinend noch nicht auf die Idee gekommen, die Wasserstraßen an Abzweigungen und Kreuzungen ebenfalls mit Ziffern zu versehen. Viel Zeit zum Studieren der Karten blieb den Steuerleuten auch nicht, weil ständige Kurskorrekturen erforderlich waren. Da uns Michael Göhler fehlte, der Kraft Amtes darauf zu achten hat, dass keiner vom rechten Weg abkommt, mussten wir uns unseren Weg mit Kompass und Gottvertrauen suchen.

Wir querten das Kleine Meer, welches durch Ausbaggerungen für Aufschüttungen bis zu 30 Meter tief ist und gelangten sodann zum Großen Meer. Dieses ist groß genug, sodass es aus dem südlichen und dem nördlichen Bereich besteht. Unser Versuch, zum nördlichen Teil über eine etwas breitere Durchfahrt zu gelangen, misslang.

Plötzlich fehlte die erforderliche Handbreit Wasser unter dem Kiel. Der Steuermann praktizierte Kneippsches Wassertreten und schob das Boot wieder ins gerade noch ruderbare Wasser.

Merke: Kleine Meer ist tief, Großes Meer ist flach; Durchfahrt zum nördlichen Bereich sofort nach der Einfahrt durch einen schmalen von Schilf fast zugewachsenen Kanal, in den man freiwillig nicht einfahren würde.

Nach Verlassen der Meere (merke: See heißt dort Meer und umgekehrt) ruderten wir bei inzwischen bestem Wetter in weitgehend menschenleeren Landschaften. Abgesehen von den Rudergeräuschen war Stille ringsumher. Hin und wieder hatten wir auch Zuschauer: Rindvieh, das uns neugierig vom nahen Ufer beäugte, weil es vermutlich solch große „Wasservögel“ noch nie gesehen hatte.

Eine fast menschenleere Landschaft hat aber auch Nachteile: Wo kann man zu Mittagsessen? Durch einen Stichkanal (richtiger: etwas breiterer Garben) kämpften wir uns nach Wirdrum. Dort erwarteten uns eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die gute, es gibt zwei Gaststätten, dann die schlechte, beide geschlossen. Was solI‘s: Erfahrene Ruderwanderfahrer können improvisieren. Wurst vom Metzger, Brot von einem zufällig herumstehenden Bäckerwagen. Picknick und Mittagessen auf dem Steg.

Am Nachmittag erreichten wir unser Tagesziel, das malerische Fischerdorf Greetsiel an der Leybucht. Hier hatten wir 1 Stunde Zeitgewinn durch die Zeitumstellung, die genutzt wurde. Am Sonntagmorgen waren wir früh auf dem Wasser zur Rückfahrt nach Emden. Waren am ersten Tag Rindvieh unsere Zuschauer, so fuhren wir am zweiten Tag durch das Land der Growiane (Großwindanlagen). Die stärkste Massierung waren 12 Riesen auf einem Gelände. Abknickende Sieltiefe, für Ruderboote oft zu enge Kanäle und schmale Brückenpassagen erforderten von den Steuerleuten höchstes Geschick. Ein Schlag voraus -Blätter lang - einen kräftigen Schlag voraus - abducken - Ruder halt - stoppen -streichen, das waren vorherrschende Kommandos. Ein nicht namentlich genannter, für die Gesundheit verantwortlicher Ruderkamerad, machte auf diesem Streckenabschnitt einen Selbstversuch. Er prüfte gekonnt die Möglichkeit eines Moorbades auf engstem Raum. Als wir gegen Mittag Hinte erreichten, schauten uns Motorbootfahrer ungläubig an, als sie hörten, woher wir kamen. In Hinte wiederum gute und schlechte Nachrichten. Zwei gute: Es gibt eine Gaststätte und sie ist geöffnet. Die schlechte: Es gibt dort nichts zu essen. Wiederum war Improvisation angesagt

Der Nachmittag ließ dann auch die rudernden Kameraden auf ihre Kosten kommen. Der Wind hatte mächtig aufgefrischt und kam auf einem anscheinend nie endenden, hier vertrackterweise sehr breiten Kanal genau von vorn.

Irgendwie schafften wir es am Nachmittag, im Gewirr der Emder Kanäle nach insgesamt 65 Km wieder das Bootshaus des RV Emden zu finden, wo eine sehr schöne, „etwas andere Wanderfahrt“ zu Ende ging. Dank an Herrn Hitschke vom RV Emden für wohltuende Hilfsbereitschaft und an unseren Fahrtenleiter für dieses schöne Rudererlebnis.

Dieter Wenig

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