1993 AH-Wanderfahrt auf Weser und Hunte

 

Die etwas andere Ruderwanderfahrt.

Auf Unterweser, Hunte, E. Fehnkanal, Barsscher Tief, Soeste.

 

Angefangen hat es damit, dass unser Ruderkamerad Heinrich Frinken - Organisator, Planer und damit Herz dieser Wanderfahrt - durch Krankheit ausfiel. Seine letzte organisatorische Handlung bestand darin, Horst Noll zu bitten, seine Stelle als Fahrtenleiter einzunehmen. Damit hatten wir einen „Neuen“ und, wie wir im nachhinein feststellen konnten, einen, dem die Schutzheiligen der Ruderwanderfahrer beigestanden haben. Davon später mehr.

 

Insgesamt waren es dreizehn Ruderkameraden - und zwar Werner Berg, Karl Berghoff, Karl Biedermann, Hans W. Brück, Wilfried Güthoff, Rolf Kernebeck, Gustav Limke, Gerd Locher, Horst Noll, Dieter Peters, Anton Schnurr, Dieter Wenig und Peter Wilhelm - die der langen Geschichte der Alt-Herren Wanderfahrten ein neues Kapitel hinzugefügt haben. Neu auch insofern, als zum ersten Mal Wittener Wanderruderer sich mit dem Problem der „Tide“ auseinandersetzen mussten, die man beachten muss, wenn man bis in die Hunte hineinrudern will, und das war laut Fahrtenbeschreibung vorgesehen. Von den Ruderern, die sich schließlich auf die Reise nach Nordenham Elbwürden, unserem ersten Reiseziel, begaben, war keiner durch irgendeinen Tidenhub vorbelastet. Das Motto also: Schaun wir mal!

 

An der Fährverbindung Kleinensiel-Dedesdorf machten wir einen Zwischenstopp. Die Boote wurden abgeladen, aufgeriggert und alles für den Start am nächsten Morgen vorbereitet. Zu unserer Freude wurden wir dort von Frau Gereke vom Ruderclub Nordenham begrüßt, eingewiesen und mit ersten Zusatzinformationen versorgt.

Frau Gereke? „kennt kein ein!“, dafür aber als Lehnchen um so besser. Sie begleitete uns zu unserem Hotel, war am Abend wieder da um uns zu einer Gaststätte zu begleiten, und fehlte auch, angetan mit Gummistiefeln, am anderen Morgen nicht, als wir zu Wasser gingen. Noch ein Wort zur Gaststätte: Hier stand auf der Speisekarte „Scholle bis zum satt werden“. Keiner weiß nun mehr, wer am Ende mehr gestaunt hat: Wir, die wir wirklich soviel Schollen bekamen, bis wir satt waren, oder der Wirt, dass Ruderer wirklich soviel Scholle essen können.

 

Am Morgen danach - es war Vatertag - wurde es dann ernst mit Rudern und Tide. Einsatzstelle für die Boote waren die Anlegestelle der Fähre und mit den Booten im Wasser war auch die Tide (Flut) gegen 5.15 Uhr pünktlich zur Stelle. Lenchen aber seufzte: Es gibt nur 5 Tage im Jahr wo es windstill ist und die Sonne scheint und ihr kommt her und erwischt so einen Tag! Dann gab sie uns noch ein paar Tipps zum Abschied, auch den, wo wir Peter Wilhelm, der erst jetzt zu uns gestoßen war, ins Boot nehmen konnten.

 

Das Rudern auf der Unterweser mit der Flut, die vorbeiziehenden großen Schiffe, die Breite des Stromes, es war alles sehr beeindruckend. Es folgte, die Flusslandschaft der Hunte, auf der wir bis Oldenburg verblieben. Den Abschluss bildete ein kurzes Umtragen in den Küstenkanal und nach einem weiteren Kilometer waren wir beim Oldenburger Ruderverein, unserem ersten Etappenziel.

 

Hier in Oldenburg war unser Hotel zunächst einmal geschlossen. Ruhetag verkündete ein Schild. Aber dann kam doch noch ein guter Geist und ließ uns herein. Auf unsere bescheidene aber nicht minder drängende Frage nach einem frisch gezapften Bier verwies man auf zwei Dinge, nämlich dass Ruhetag sei und dass niemand zapfen könne. Doch wer kann schon geballtem Charme von Ruderern widerstehen. Wir bekamen unser Bier, einen Lokaltipp zum Essen und das Versprechen, dass es noch einen Absacker gäbe. Ja, gekegelt haben wir auch noch - aber das war erst später.

 

Das Abendessen machte einen Spaziergang durch die Stadt zwingend notwendig. Oldenburg hat noch einen intakten Altstadtkern, der bei unserem Besuch recht belebt war, denn bei 23 °C im Schatten saßen halt viele draußen vor den Restaurants und Cafes und genossen den Abend. Nicht unerwähnt bleiben sollte das Renaissance Schloss. Der Ort selbst wird schon Ende des 8.Jahrhunderts bei den Feldzügen Karls des Großen erwähnt. Eine Völkerschaft der Elb- und Ostseeslawen, die Obodriten, hatten hier ihre Hauptburg.

 

Am nächsten Morgen - Regen! Das waren keine schönen Aussichten. Aber die Schutzheiligen der Ruder-Wanderfahrer hatten ein Einsehen: Es wurde ein ausnehmend schöner Tag. Das war auch notwendig, denn Kanalrudern stand auf dem Programm und so etwas ist nicht besonders aufregend. Eine freudige Überraschung und Abwechselung erlebten wir, als die Wirtin vom Schwechter­Dammer-Hotel, unserem Hotel und unserer Bleibe für die nächsten zwei Tage, von einer Brücke zu uns herunterwinkte. Klar, dass wir dort zu Mittag auch Rast machten.

 

Der Nachmittag brachte eine Begegnung besonderer Art. Kurz vor der ersten Schleuse - unserem Tagesziel - trafen wir auf einen Pulk aus Ruderinnen und Ruderern von der Germania aus Düsseldorf, die meinten, wir hätten den „Mok“ an Bord! Mok? Doch angesichts unserer verdutzten Gesichter klärte man uns bereitwillig auf, denn mit Mok war niemand anders gemeint als Dieter Peters, der in seiner Düsseldorfer Zeit als der "Mann ohne Knochen" bekannt war. Der Spitzname hängt, wir wussten gar nicht wie prominent Dieter Peters ist!

Schließlich lernten wir dann am Abend auch noch den Ruderkameraden kennen, der so reagierte, wie nach einem „On dit“ Rockefeller gehandelt hat. Auf die Frage, was kostet ein Bier? - DM 2,70 -‚ was kostet ein Korn? - DM 1.20 - lautete die Bestellung: eine Runde Korn! Wer war das wohl?

 

Der nächste Morgen, er begann wie der vorherige, sah uns schon um 7.30 Uhr an der ersten Schleuse, der Einfahrt in den Elisabeth Fehn- Kanal. Zu bewundern gab es hier die sog. Klappbrücken, wie wir sie alle von Vincent van Gogh berühmter „Brücke von Arles“ kennen, die er 1888, zwei Jahre vor seinem tragischen Ende gemalt hat.

Drei dieser für diese Gegend typischen Brücken sind in Elisabeth Fehn zu finden, darunter die wahrscheinlich letzte „handgekurbelte“ Eisenbahnbrücke der Bundesrepublik. Sie zu bedienen gehört auch zu den Aufgaben des Schleusenwärters. Die Kanäle (sie heißen in dieser Gegend „Fehn“) dienten in der Vergangenheit der Meerentwässerung. Wir haben uns im dortigen Moor-und Fehnmuseum über die „Fehnkultur“ und über das karge Leben der in dieser Gegend einst lebenden Moorkolonisten informiert.

Wir waren sehr beeindruckt. Aber wir sind noch immer auf dem Elisabeth-Feen-Kanal, der auf Wunsch des damaligen Großherzogs von Oldenburg 1893 auf den Namen seiner Frau Elisabeth von Sachsen-Altenburg getauft wurde. Am Ende des Kanals hatte uns auch die Tide wieder. Nur hatten wir nicht mehr mit sondern gegen das auslaufende Wasser bis hin zum Bargfelder RV zu rudern.

 

Hoch gelobt sei hier der Tross, der uns mit Matjesbrötchen und Pils empfing. Da ging das Verladen der Boote noch einmal so schnell. Auch der Vorsitzende des Bargfelder RV, Bernd Preut, war gekommen, der uns nicht ohne Stolz durch die noch nicht ganz fertigen Räume seines Clubs führte.

 

Horst Noll dankte in einer kurzen Antwort für die Unterstützung in organisatorischen Fragen und wünschte dem jungen Verein ein Wachsen, Blühen und Gedeihen. Der Abend fand uns in gemütlicher Runde. Dazu spielten nebenan die „Wildschönauer Spatzen“ aus Kufstein zur Silberhochzeit auf.

Am Sonntagmorgen vor dem Start zur Heimreise lag dann noch ein hartes Stück Arbeit vor uns. Unsere Wirtin hatte uns ein „Frühstück für Ruderer“ bereitet, zusammengesetzt aus geräuchertem Aal, Rührei mit Schinken, Rührei mit Krabben, Geflügelsalat, Käse, Wurst und vieles, vieles mehr. Ein sehr schöner Ausklang dieser Ruderwanderfahrt.

 

Fassen wir zusammen: Das „Drei-Brücken-Ensemble“, der einzige noch beschiffbare Fehn, das Moor- und Fehnmuseum, das Fehngebiet selbst überhaupt sind in ihrer Art erlebenswerte Attraktionen. Es war eine erinnerungsreiche sehr gut gelungene Wanderfahrt. Und verständlich wird nun auch das Gesagte über die Schutzheiligen, die jeder Fahrtenleiter bei noch so viel Planung einfach braucht. Gedankt sei denn auch Heinrich Frinken für die vorbereitende Planung und Horst Noll für Organisation und Durchführung mit einem kräftigen Hipp Hipp Hurra!

 

Karl Berghoff